Neugeborene Kinder von Asylberechtigten und international Schutzberechtigten haben unmittelbar Anspruch auf Hartz IV-Leistungen

Mainz, 29.08.2017

 

Gängige Verfahrensweise in ganz Deutschland ist, dass Eltern mit subsidiären Schutz oder einem Anerkennungstitel für ihre neugeborenen Kinder einen Asylantrag stellen sollen. Diese Verfahrensweise ist durchaus sinnvoll, da hierdurch die Anerkennung im Wege des Familienasyls ermöglicht wird. Daher werden die Eltern eines neugeborenen Kindes zu dieser Asylantragstellung durch die Ausländerbehörde  aufgefordert. Die Bearbeitung eines solchen Antrages dauert oft monatelang.

Der Arbeitskreis Flüchtlinge hat darauf hingewiesen, dass die Eltern in dieser Zeit keine Leistungen für ihr Kind erhalten. Die Sozialämter zahlen nicht, weil ihnen eine offizielle Zuweisung durch die Bezirksregierung fehlt. Die Jobcenter zahlen nicht, da die Eltern noch keine gültigen Ausweispapiere für das Kind vorlegen können. Wissend, dass aber nun eine Person mehr im Haushalt lebt, zahlt das Jobcenter nur den Mietanteil der Eltern und eventueller Geschwisterkinder mit gültigen Papieren aus. Die anteilige Miete und alle Bedarfe des Neugeborenen müssen die Eltern aus ihren Regelleistungen mit bestreiten. Dieser Tatbestand treibt die Familie automatisch in Schulden bzw. Mietrückstände und damit verbundenen Ärger oder Mahnschreiben durch die Vermieter."

 

In Abstimmung  mit dem Bundesministerium des Innern, der Integrationsbeauftragten sowie dem Bundeskanzleramt hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 18.07.2017 zu der vorstehenden Problematik nachfolgende Auffassung mitgeteilt, die bei nächster Gelegenheit in die Fachlichen Weisungen zu § 7 SGB II sowie die Fachlichen Weisungen für die Bearbeitung von Anträgen auf Leistungen nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Loseblattsammlung - zu überführen ist:

„In Deutschland geborene Kinder von Asylberechtigten, GFK-Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten erhalten entweder eine Aufenthaltserlaubnis nach § 33 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) oder nach § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 AufenthG.

 

Sie sind nicht nach § 1 Absatz 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes  (AsylbLG) leistungsberechtigt, sondern nach dem SGB II.

Da sie nach Auffassung der Bundesregierung Anspruch auf einen Aufenthaltstitel  nach § 33 AufenthG haben, können sie bereits ab Geburt Leistungen nach dem SGB II erhalten, auch wenn die Aufenthaltserlaubnis  ggf. erst mit zeitlicher Verzögerung erteilt wird.

Als Nachweis über die Existenz und Identität des Neugeborenen gegenüber den gemeinsamen Einrichtungen genügt in diesen Fällen ein Nachweis über die Aufenthaltserlaubnis  der Eltern (die den Jobcentern i.d.R. bereits bekannt sein dürfte) und die Vorlage der Geburtsurkunde für das in Deutschland geborene Kind.“

Das Ergebnis, dass im Bundesgebiet geborene Kinder international Schutzberechtigter und Asylberechtigter Anspruch auf SGB II-Leistungen haben, ist zutreffend, auch wenn die Begründung fehlerhaft ist. Denn ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel schafft noch keinen rechtmäßigen Aufenthalt, auch wenn dies vom Bundessozialgericht behauptet wird.

Das Asylbewerberleistungsgesetz kommt aber in den hier betroffenen Fällen bereits deshalb nicht zur Anwendung, weil die im Bundesgebiet geborenen Kinder sich unmittelbar kraft Gesetzes rechtmäßig aufhalten und damit nicht ausreisepflichtig sind.

Der rechtmäßige Aufenthalt eines im Bundegebiet geborenen Kindes folgt aus einer analogen Anwendung des § 33 Satz 3 Aufenthaltsgesetz. Diese Bestimmung regelt, dass der Aufenthalt eines im Bundesgebiet geborenen Kindes, dessen Mutter oder Vater zum Zeitpunkt der Geburt im Besitz eines Visums ist oder sich visumfrei aufhalten darf, bis zum Ablauf des Visums oder des rechtmäßigen visumfreien Aufenthalts als erlaubt gilt. Wird bereits der befreite Aufenthalt oder der rechtmäßige Aufenthalt, der auf einem Visum beruht, begünstigt, so gilt dies erst recht für den Aufenthalt eines Elternteils, der im Besitz eines Aufenthaltstitels ist. Die bestehende Regelungslücke - das Gesetz regelt ausdrücklich nur die Folgen eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in § 81 Absatz 2 Satz 2 Aufenthaltsgesetz - kann durch eine analoge Anwendung des § 33 Satz 3 Aufenthaltsgesetz sachgerecht geschlossen werden mit der Folge, dass der Aufenthalt eines Kindes nach der Geburt rechtmäßig ist.

Diese Aufenthaltsrecht entfällt auch nicht durch den Asylantrag, da der auf eine entsprechende Anwendung des §§ 33 Satz 3 Aufenthaltsgesetz beruhende rechtmäßig Aufenthalt nicht nach § 55 Abs. 2 Asylgesetz erlischt. Denn der rechtmäßige Aufenthalt eines im Bundesgebiet geborenen Kindes analog § 33 Satz 3 Aufenthaltsgesetz ist nicht die Folge eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, sondern entsteht allein kraft Geburt im Inland; insoweit liegt keine verfahrensrechtliche Rechtsstellung vor. Durch den rechtmäßigen Aufenthalt nach der Geburt wollte der Gesetzgeber der besonderen Beziehung zwischen dem Kleinkind und der Mutter unmittelbar nach der Geburt im Interesse der Familieneinheit und zur Aufrechterhaltung der nach Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz besonders geschützten Eltern-Kind-Beziehung Rechnung tragen. Schon bei der Vorgängervorschrift des § 33 Aufenthaltsgesetz, dem § 21 Absatz 1 Ausländergesetz vom 09.07.1990 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1354), der seinem Wortlaut nach keine wesentlichen Unterschiede zu dem entscheidungserheblichen Inhalt des § 33 Aufenthaltsgesetz aufweist, wurde davon ausgegangen, dass durch die Vorschrift der besonderen Schutzbedürftigkeit im Bundesgebiet geborener und aufgewachsener Ausländer Rechnung getragen werden sollte (so ausdrücklich Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.07.2002 - 1 C 8.02 - BVerwGE 116, 378, 383, Randnummer 22). Diese Rechtslage wurde mit dem § 33 Satz 1 Aufenthaltsgesetz in der Fassung vom 30.07.2004 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1950) unverändert fortgeschrieben. Denn in der Gesetzesbegründung zum Zuwanderungsgesetz wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vorschrift "dem besonderen Sachverhalt der Geburt im Bundesgebiet Rechnung" trägt (vgl. Bundestagsdrucksache 15/420, Seite 83).

 

Kindergeld

Jede deutsche Familie hat unabhängig von ihrer Einkommenssituation Anspruch auf ein monatliches Kindergeld von 190 Euro im Monat für das erste und zweite Kind, 196 Euro für das dritte Kind und 221 Euro für jedes weitere Kind. Dies gilt für Kinder bis 18 Jahre, für Kinder in Ausbildung bis 24 Jahre.

Diesen Anspruch haben auch subsidiär Schutzberechtigte und er besteht bereits ab Bestandskraft oder ab Rechtskraft der Anerkennung. Bestands- bzw. rechtskräftig ist Ihre Anerkennung auch dann, wenn Sie noch keine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben:

  • mit dem positiven Bescheid des Bundesamtes oder
  • wenn die Rechtsmittelfrist gegen ein positives Gerichtsurteil verstrichen ist.
  • Beantragen Sie das Kindergeld bei der Familienkasse der staatlichen Agentur für Arbeit (Arbeitsamt) und legen Sie eine Kopie Ihres Anerkennungsbescheides bei. Das Formular finden Sie auch im Internet.
  • Wenn Ihre Anerkennung schon länger zurück liegt, können Sie Kindergeld für bis zu vier Jahren rückwirkend beantragen. Eine rückwirkende Beantragung kommt auch dann in Frage, wenn Sie aufgrund einer Ausnahmeregelung für Bürger/innen aus der Türkei, Tunesien, Algerien, Marokko oder den jugoslawischen Nachfolgestaaten bereits vor Ihrer Anerkennung Anspruch auf Kindergeld hatten (zu den Ausnahmeregelungen lesen Sie bitte im Kapitel für Menschen mit Aufenthaltsgestattung den Abschnitt 10.6 “Kindergeld”)
  • Wenn Sie Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe beziehen, wird das Kindergeld damit verrechnet. Das heißt, am Ende haben Sie wahrscheinlich gar nicht mehr Geld. Sie sind aber trotzdem verpflichtet, Kindergeld zu beantragen. Dies ist auch sinnvoll, denn der Bezug von Kindergeld ist keine Sozialleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts und Sie haben dadurch leichter die Möglichkeit, Ihr Leben selbst zu finanzieren. Für die Einbürgerung oder weil Sie die Anerkennung auch durch einen Widerruf wieder verlieren könnten, kann es wichtig sein, den Lebensunterhalt ohne Sozialleistungen zu sichern.

Kinderzuschlag

Wenn Sie über ein geringes Einkommen verfügen oder Arbeitslosengeld I beziehen, aber ansonsten keine Sozialleistungen erhalten, können Sie versuchen, zusätzlich zum Kindergeld einen Kinderzuschlag zu beantragen.Voraussetzung für die Gewährung ist allerdings, dass Sie kindergeldberechtigt sind, was Sie als subsidiär Schutzberechtigte/r sind. Mit dem Kindergeldzuschlag soll vermieden werden, dass Geringverdienende Leistungen nach SGB II beantragen müssen. Der Kinderzuschlag beträgt maximal 160,- Euro monatlich pro Kind. Der Kinderzuschlag ist bei der Familienkasse der Agentur für Arbeit zu beantragen.

Unterhaltsvorschuss

Hierbei handelt es sich um einen staatlichen Zuschuss, der einem alleinerziehenden Elternteil für bis zu sechs Jahren gezahlt wird, wenn der andere Elternteil seiner Verpflichtung, für das Kind Unterhalt zu zahlen, nicht nachkommt. Wenn der allein erziehende Elternteil das volle Kindergeld erhält, beträgt der Unterhaltsvorschuss 152 Euro monatlich für Kinder unter 6 Jahren und 203 Euro monatlich für Kinder unter 12 Jahren.Künftig sollen alle minderjährigen Kinder einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben.Das volle Kindergeld erhält der Elternteil, bei dem das Kind lebt. 

Die Bedingungen für den Unterhaltsvorschuss sind die gleichen wie beim Kindergeld: Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 S. 1. Alt. 2 AufenthG haben per Gesetz Anspruch auf Unterhaltsvorschuss (§ 1 Abs. 2a UhVorschG). Dieser Anspruch besteht, weil Sie eine Aufenthaltserlaubnis haben, die zu einer Erwerbstätigkeit berechtigt.

 

  • Unterhaltsvorschuss beantragen Sie beim Jugendamt. Das Amt holt sich das Unterhaltsgeld vom nicht zahlenden Elternteil wieder zurück, wenn dieser über ausreichendes Einkommen verfügt.

Elterngeld

Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 S.1 Alt. 2 AufenthG haben per Gesetz Anspruch auf Elterngeld (§ 1 Abs. 7 BEEG). Dieser Anspruch besteht, weil sie eine Aufenthaltserlaubnis haben, die zu einer Erwerbstätigkeit berechtigt.

Elterngeld gibt es für Kinder ab der Geburt. Dabei ersetzt der Staat einem Elternteil 67 Prozent des durch die Geburt und Kinderbetreuung wegfallenden Arbeitseinkommens, maximal 1.800 Euro im Monat. Wenn Sie vorher nicht gearbeitet haben, erhalten Sie ein Mindestelterngeld von 300,- Euro.

Während des Bezugs von Elterngeld darf der Antragsteller gar nicht oder nicht mehr als 30 Stunden in der Woche arbeiten. Voraussetzung ist außerdem, dass der Antragsteller in einem Haushalt mit dem Kind lebt und das Kind tatsächlich betreut. Auch der nicht verheiratete Vater kann unter dieser Voraussetzung Elterngeld beanspruchen.Normalerweise wird das Elterngeld auf andere Sozialleistungen (Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II, Kinderzuschlag) angerechnet. Ein Betrag von 300 Euro wird nur dann nicht angerechnet, wenn dieser gezahlt wird, weil zuvor eine Erwerbstätigkeit ausgeübt worden ist.

Das sog. Basiselterngeld wird für maximal 14 Monate gezahlt. Ein Elternteil allein kann die Leistung für mindestens zwei und für höchstens zwölf Monate beziehen. Das Elterngeld wird noch weitere zwei Monate gezahlt, wenn beide Eltern vom Angebot des Elterngeldes Gebrauch machen (Partnermonate) oder der Elternteil alleinerziehend ist und der Familie für mindestens zwei Monate das Einkommen ganz oder teilweise wegfällt.

Seit 01.01.2015 gibt es das Elterngeld plus: Eltern, die in Teilzeit arbeiten, können statt einem Monat Elterngeld zwei Monate Elterngeld plus beziehen. Die Höhe liegt bei höchstens der Hälfte des monatlichen Elterngeldbetrags, den Eltern ohne Teilzeiteinkommen bekommen würden.

Sie stellen den Antrag auf Elterngeld beim der Elterngeldstelle Ihrer Stadt oder Ihres Landkreises. Das Formular, eine Liste der zuständigen Stellen in Niedersachsen und weitere Informationen gibt es im Internet unter

http://www.ms.niedersachsen.de/themen/familie/elterngeld/das-elterngeld-13791.html.