Die italienischen Strafmaßnahmen gegen Sea-Eye sind staatliches Unrecht!

Am 14. Juni 2023 sind vermutlich über 600 Männer, Frauen und Kinder, die aus Libyen geflohen waren, bei einem der größten Schiffsunglücke der vergangenen Jahre in der Nähe der griechischen Insel Pylos ertrunken. Wenige Wochen zuvor, am 23. Mai 2023, wurden 500 Menschen, die es mit einem Boot bereits in die maltesische Such- und Rettungszone geschafft hatten, von der berüchtigten libyschen Miliz Tariq Ben Zeyad[1] nach Benghazi zurück verschleppt. Einige der damaligen Bootsinsassen sind bei ihrem zweiten Überfahrtsversuch auf dem Boot vor Pylos ertrunken. Zwischen Sterben-Lassen und illegalen Push-Backs: die Risiken für Schutzsuchende und Migrant:innen auf der Flucht aus Libyen sind groß und die Opferzahlen wären noch weitaus höher, wenn nicht eine zivile Flotte zur Seenotrettung im Dauereinsatz wäre. Doch diese Rettungsschiffe werden von der italienischen Regierung systematisch schikaniert und kriminalisiert. So verbietet das neue Piantedosi Dekret Rettungsorganisationen, nach der Zuweisung eines sicheren Hafens weitere Menschen in Seenot zu retten. Die daraus folgenden Strafmaßnahmen gegen die SEA EYE 4 nach ihrem Einsatz Ende Mai 2023 demonstrieren, wie menschenverachtend die staatlichen Behörden agieren. Das Bemühen der SEA EYE 4, Menschen schnellstmöglich aus Seenot zu retten und illegale Push Backs zu verhindern, kann niemals falsch sein und darf nicht bestraft werden. Das Piantedosi Dekret ist ein menschenfeindliches Gesetz und muss sofort abgeschafft werden.

Ein Schiff der libyschen Tarek Ben Zayed Miliz bei einem Push-Back im Juni 2023 fotografiert aus der Sea-Bird 2. Copyright: Tian Sthr/Sea-Watch

Die Ausgangslage am 30. Mai 2023

Am 30. Mai 2023 war die SEA-EYE 4 mit 17 am Vortag geretteten Menschen auf dem Weg zum noch mehrere hundert Kilometer entfernten Ortona. Diesen Hafen sollte die SEA-EYE 4 nach Anweisung der Küstenwache schnellstmöglich anfahren, laut dem im Februar 2023 in Kraft getretenen sogenannten Piandosi-Dekret. In dieser Situation erhielt gegen 10:00 Uhr die SEA-EYE 4 die SOS-Email der Telefon-Hotline Alarm Phone. Ein Boot mit rund 400 Menschen (mit der Bezeichnung AP0741) befände sich in der maltesischen Such- und Rettungszone in Seenot.

Die Erfahrung des illegalen Push-Backs

Exakt eine Woche zuvor, am 23. Mai 2023, hatte sich in der gleichen Region Folgendes ereignet: 500 Menschen waren mit einem Fischerboot aus Libyen in Richtung Europa geflohen. Sie erreichten etwa die Mitte der maltesischen Such- und Rettungszone – also über 320 Kilometer von der libyschen Küste entfernt – als der Motor des Bootes ausfiel. Das Boot trieb manövrierunfähig auf dem Meer. Obwohl die europäischen Küstenwachen vom Alarm Phone über den Seenotrettungsfall sofort informiert wurde, bleiben die verantwortlichen Behörden untätig. Und dann: das Boot wurde am nächsten Morgen offensichtlich von libyschen Milizen eingeholt und zurück geschleppt. Viele der 500 Menschen verschwanden in Haftlagern in Benghazi. Es handelt sich hierbei eindeutig um unterlassene Hilfeleistung sowie einen illegalen Push-Back, also einen eklatanten Bruch von internationalen Asyl- und Menschenrechten.

Das Boot in Seenot vom 30.5.23, welches von der SEA-EYE 4 gesucht wurde. Copyright: Sea-Watch

Die einzig richtige Entscheidung

Vor dem Hintergrund dieser konkreten Erfahrung entschied der Kapitän der SEA-EYE 4, dem Alarm für den Seenotrettungsfall AP0741 zu folgen und die Route nach Norden zum Zweck der schnellstmöglichen Hilfeleistung zu unterbrechen. In jedem Moment hätte der Motor des überladenen Kutters ebenfalls ausfallen können und den 400 Menschen hätte womöglich das gleiche Schicksal gedroht wie den 500 Menschen in der Woche zuvor oder noch schlimmer: sie hätten untergehen können, wie das sehr ähnlich gebaute Boot nahe Pylos.

Gegen Mittag des 30. Mai konnte das Aufklärungsflugzeug Seabird 2 der Organisation Sea-Watch das Boot mit den 400 Menschen lokalisieren. Die Seabird bestätigte in ihren SOS-Emails an die Behörden den Seenotfall. Zu diesem Zeitpunkt war die SEA-EYE 4 noch etwa 300 km von der letzten Position entfernt. Auch weil der Kontakt mit dem Boot über mehrere Stunden am Abend und in der Nacht abbrach, verpasste die SEA-EYE 4 das Boot, das sich erst am nächsten Morgen nahe der italienischen Such- und Rettungszone beim Alarm Phone wieder meldete.

Die SEA-EYE 4 hatte auf ihrer Fahrt zu AP0741 zunächst ein weiteres Boot in Seenot gefunden und weitere 32 Personen gerettet. Mit dann insgesamt 49 geretteten Personen fuhr die SEA-EYE 4 schließlich Richtung Norden nach Ortona.

Die Strafmaßnahmen…

Im Hafen wurde Sea-Eye mit einem Verweis auf das neue italienische Gesetz vom 24.02.2023 darüber informiert, dass die SEA-EYE 4 für 20 Tage in Ortona festgesetzt wird und die Organisation 3333,- Euro Strafe zahlen muss, weil das Schiff nach der Rettung von 17 Menschen in der libyschen Such- und Rettungszone 32 weitere Menschen in der maltesischen Such- und Rettungszone rettete und nicht so schnell wie möglich den Hafen von Ortona angefahren habe.

… ein Skandal staatlichen Unrechts

Wir halten diese Bestrafung und das zu diesem Zweck erlassene Dekret der italienischen Regierung für einen Skandal. Es dient alleine dazu, Rettungsschiffe abzuschrecken und zu kriminalisieren – Rettungsschiffe, die dort so effektiv wie möglich zu intervenieren versuchen, wo staatliche Küstenwachen der EU seit Jahren bewusst eine oftmals tödliche Lücke produziert haben.

Sea-Eye hatte am 30. Mai die einzig richtige Entscheidung getroffen: einem Seenotfall, zu dem die beiden hier unterzeichnenden Organisationen alarmiert hatten, so schnell wie möglich zu Hilfe zu eilen, zumal mit einem erneuten illegalen Push-Back-Versuch zu rechnen war. Dieses vorbildliche Verhalten mit Strafmaßnahmen zu belegen, kann nur als zynisch und menschenverachtend bezeichnet werden.

Sea Watch und Alarm Phone

 

 

 

 

 

____

[1] https://www.amnesty.org/en/latest/news/2022/12/libya-hold-commanders-of-tariq-ben-zeyad-armed-group-accountable-for-catalogue-of-horrors/

___________________________________________

Seemannsmission fordert Ausbau der Seenotrettung

Wenn Seeleute Flüchtlingen in Booten nicht helfen könnten, sei das sehr belastend, sagt Matthias Ristau, Generalsekretär der Seemannsmission. Was er deshalb fordert.

___________________________________________

 

© Apotheken Umschau - http://www.apotheken-umschau.de/ / Sina Horsthemke                                                                                                        

In höchster Not: Seenotrettung im Mittelmeer

Immer noch ertrinken jedes Jahr tausende Flüchtende im Mittelmeer. Zivile Organisationen retten manchen das Leben. Unsere Autorin Sina Horsthemke war an Bord der „Humanity 1“ dabei.

Von Sina Horsthemke, 05.04.2023

 

Es ist schon fast Mitternacht, als Amidous* Mutter die Sorge um ihr Baby nicht länger aushält. Mit ihrem vor Fieber glühenden Kind in den Armen steht sie von ihrer Matte am Boden auf. Sie steigt vorsichtig über die schlafenden Frauen, schafft es, trotz des Seegangs das Gleichgewicht nicht zu verlieren, öffnet mit einer Hand die schwere Tür zum Hauptdeck und erspäht in der Dunkelheit Dragos (um die Crew zu schützen, bittet SOS Humanity, nur Vornamen zu nennen, Anm. der Redaktion). Dem Mann im blauen Overall hält sie ihr Kind entgegen: Ob er den Arzt rufen könne? Dragos gehört zur Besatzung der „Humanity 1“, gleich endet seine Spätschicht. Er legt Amidou die Hand auf die Stirn, dann greift er zum Funkgerät.

Am anderen Ende des Schiffs sitzt Maria in der kleinen Bordklinik noch am Schreibtisch. Die Krankenschwester aus Italien hat heute Nacht Bereitschaftsdienst. Als sie hört, dass ein Baby krank ist, packt sie Handschuhe, Fieberthermometer und Medikamente ein und macht sich auf den Weg zum Heck, um Amidou zu untersuchen. Der fünf Monate alte Junge ist nicht der Erste – schon am Nachmittag war ein Mädchen mit Fieber in die Sprechstunde gekommen. Breitet sich ein Infekt aus? Das wäre auf See ein ernstes Problem.

 

 

Die „Humanity 1“ startete im spanischen Burriana. Etwa 60 Kilometer vor der libyschen Küste nahm sie die Geflüchteten zweier Boote auf. Zusätzich übernahm sie dort Menschen eines anderen Rettungsschiffs. In Bari gingen die Geretteten von Bord.

 

Die „Humanity 1“, das 61 Meter lange Rettungsschiff der Berliner Organisation „SOS Humanity“, steuert im zentralen Mittelmeer gerade auf Süditalien zu. Amidou und seine Mutter gehören zu den 261 Menschen, denen die Crew in den vergangenen Tagen das Leben gerettet hat. Mit mehr als 100 anderen Geflüchteten saßen die beiden in einem viel zu kleinen Schlauchboot, das bereits Luft verloren hatte. Amidous Mutter stammt aus Kamerun und ist vor dem Bürgerkrieg im Westen des Landes geflohen, ihr Baby brachte sie in Libyen zur Welt.

 

„Einfach nur helfen“

Maria, die Krankenschwester, kümmert sich bei diesem Einsatz um die Gesundheit der Geflüchteten – zusammen mit Diego, einem Arzt aus Spanien, Esther, einer Hebamme aus Deutschland, und Bianca, einer Psychologin aus Italien. Drei Wochen zuvor sind die insgesamt 28 Freiwilligen im spanischen Burriana an Bord gegangen. „Mit Geflüchteten zu arbeiten, war immer mein Traum, es erfüllt mich“, sagt die 28-jährige Maria. „Von Beginn an fühlte sich dieses Schiff an, als wäre es der richtige Ort für mich.“

 

 

Mit Schnellbooten fahren die Freiwilligen zu den Geflüchteten.

 

Diego, dem 30-jährigen Allgemeinmediziner, geht es ähnlich: „Mir ist egal, ob die Menschen vor Hunger, Krieg oder etwas anderem geflohen sind. Ich will ihnen einfach nur helfen.“ Nach einer Quarantäne- und Trainingswoche steuerte der Kapitän das Schiff an Mallorca, Sardinien, Malta und Lampedusa vorbei Richtung libysche Küste. Dort, am Strand der Hauptstadt Tripolis, haben Amidous Mutter und die anderen ihre Boote bestiegen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Schwimmwesten gab es nicht, Treibstoff und Trinkwasser hätten niemals bis Europa gereicht.

 

Auf alles vorbereitet

Ordentlich sortiert liegen Schmerz- und Durchfallmittel in Schubladen und Schränken. Die Möglichkeiten, Kranken zu helfen, sind auf einem Schiff begrenzt. Doch die Klinik der „Humanity 1“ ist gut ausgestattet: Es gibt Medikamente gegen Halsweh, Husten und Pilzinfektionen, Augentropfen, Anti­biotika, Impfstoffe. Und zahllose Tuben mit Salbe gegen Verätzungen. Die haben Gerettete oft, weil sie auf ihren Booten teils tagelang barfuß in einem ätzenden Gemisch aus Treibstoff und Salzwasser saßen. Auf einen Herzstillstand ist die Crew ebenso vorbereitet wie auf kleinere Operationen.

 

 

Das Klinikteam versorgt eine geflüchtete Frau (Mitte).

 

Der nächste Tag beginnt mit einem Notfall: Einer der Geretteten hat einen epilep­tischen Anfall. Als Diego und Maria ihn stabilisieren und er wieder zu sich kommt, erfahren die beiden: Er weiß von seiner Krankheit, es gab auf der Flucht nur keine Möglichkeit für ihn, das nötige Medikament zu erstehen. Diego gibt ihm die Tabletten, während Maria nach Amidou schaut. Das Baby hat noch erhöhte Temperatur, aber es geht ihm schon besser.

 

Von Sizilien nach Bari: Irrfahrt auf rauer See

Gute Nachrichten auch von der Brücke: Die italienischen Behörden haben dem Kapitän die Genehmigung erteilt, einen Hafen anzusteuern. Nach fünf Tagen ohne Antwort ist das eine Überraschung, sorgt aber für Verwirrung: Obwohl Sizilien in Sichtweite und ein Sturm vorhergesagt ist, soll die „Humanity 1“ die Geretteten nach Bari bringen, eine mehr als 600 Kilometer entfernte Hafenstadt an der Adriaküste. Vor dem Eingang der Klinik hat sich eine Schlange gebildet. Ein junger Mann aus dem Tschad zeigt eine Pilz­infektion am Kopf und klagt über lichtempfindliche Augen. Gekidnappt auf offener Straße, sei er monatelang in einem libyschen Internierungslager festgehalten worden. Im Dunkeln zusammengepfercht mit Hunderten anderen, sei er krank geworden.

Es sind Geschichten wie diese, die die ­Arbeit in der kleinen Klinik nur schwer erträglich machen. „Wann immer wir nachfragen, berichten uns die Menschen von dem grässlichen Albtraum, den sie in Libyen durchgemacht haben“, so Diego. „Sie zeigen uns Narben, die offensichtlich Folterspuren sind, erzählen von sexuellem Missbrauch, Schlägen und Knochenbrüchen.“

Gefährliche Flucht durch den „gescheiterten Staat“

Die Fluchtroute über das Mittelmeer gilt als eine der gefährlichsten der Welt, weil so viele ertrinken. Doch was den Menschen aus West- und Zentralafrika auf dem Weg zur Küste widerfährt, ist nur schwer zu begreifen.

Libyen gilt als „gescheiterter Staat“. Seit dem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi ist die öffentliche Ordnung zusammengebrochen, Milizen haben das Sagen. Mehr als 900.000 Menschen sind laut den Zahlen der Vereinten Nationen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Lebensmittel und Trinkwasser sind knapp, Krankenhäuser werden regelmäßig geplündert.

Menschen auf der Flucht schweben in ­Lebensgefahr, wenn sie das Land durchqueren: Jederzeit könnten sie in eins der Internierungslager verschleppt werden. „Wir wurden gezwungen, uns gegenseitig zu verprügeln“, sagt der Mann aus dem Tschad, als Diego seine Augen untersucht. Auf seinem Kopf prangt eine schlecht verheilte Narbe, er sei mit einer Waffe geschlagen worden. Ob er nachts schlafen könne, fragt Diego. Nein, schon lange nicht mehr – in Libyen musste er jederzeit damit rechnen, geweckt und gefoltert zu werden.

 

 

Mehrere Stunden dauert die Bergung der Menschen. Als Erstes verteilen die Retterinnen und Retter Schwimmwesten.

 

Pullbacks der lybischen Küstenwache – beauftragt von der EU

Auf hoher See scheint dieses Grauen weit weg – und ist doch so nah: Bei jeder der vier Rettungen der vergangenen Tage tauchte die sogenannte libysche Küstenwache auf. ­Finanziert und beauftragt von der Euro­päischen Union, versuchen die bewaffneten Männer, Geflüchtete auf See abzufangen, um sie zurück nach Libyen zu bringen.

So ein Pullback ist illegal: Würden europäische Behörden das tun, verstießen sie gegen die Genfer Konvention. Einmal, es ist erst drei Tage her, kam die „Humanity 1“ zu spät. Die Crew war dabei, Schiffbrüchige von einem Schlauchboot zu retten, als der erste Offizier zwei Meilen entfernt ein weiteres Boot in Seenot entdeckte.

Doch die Libyer waren schneller: Vor den Augen der Retterinnen und Retter zwangen sie die Menschen auf ihr Schiff und forderten den Kapitän der „Humanity 1“ über Funk auf sich fernzuhalten. Sechs Geflüchtete sprangen vor Verzweiflung ins Wasser und konnten gerade noch gerettet werden. Schiffsarzt Diego ­behandelte die völlig unterkühlten Männer: „Sie sagten, sie wären lieber ertrunken, als nach Libyen zurückgebracht zu werden.“

Sprachbarrieren erschweren die Kommunikation

Wenn möglich, kommuniziert das Klinikteam mit Überlebenden auf Englisch. Ist nur Arabisch oder Französisch möglich, hilft Antoine, ein Rechtsanwalt aus Frankreich, der in Ägypten gelebt hat und als interkultureller Vermittler an Bord ist. Auch andere Crewmitglieder springen immer wieder ein, um zu übersetzen. Findet sich keine gemeinsame Sprache, gibt es Schautafeln und Bilder, damit die Menschen zeigen können, was ihnen wehtut.

Trotz Sprachbarrieren und Folterberichten: Nach schönen Momenten gefragt, müssen Maria und Diego nicht lange überlegen. „Eine Frau war völlig dehydriert“, erzählt der 30-jährige Arzt. „Nach mehreren Monaten in Libyen, wo sie sexuell missbraucht wurde, war sie unterernährt und sprach kein Wort. Blutdruck und Blutzucker waren niedrig, ihr Puls hoch. Es machte mich glücklich, sie nach mehreren Infusionen bei uns an Bord wieder essen und lachen zu sehen.“

Maria muss schmunzeln, als sie von einem Mädchen erzählt: „Sie kam mit ihrer Mama in die Klinik. Als wir die Mutter untersuchten, lief die Kleine fröhlich tanzend herum und schaute sich alles genau an. Am liebsten hätte sie alle Schubladen geöffnet.“ Ein Achtjähriger, der ganz allein auf der Flucht sei, finde die Bordklinik genauso spannend, berichtet die Krankenschwester: „Er besucht uns oft und hat sogar schon hier übernachtet. Offenbar ist der Raum für ihn seit Langem der erste sichere Ort zum Schlafen.“

 

 

In Sicherheit: Die Geflüchteten werden von Mitarbeitenden des Roten Kreuzes im italienischen Bari empfangen.

 

Endlich an Land – schnelle Hilfe für die dringendsten Fälle

 

 

In der letzten Nacht auf See schläft auf der „Humanity 1“ kaum jemand. Das Schiff kämpft sich durch meterhohe Wellen, immer wieder schwappt kaltes Meerwasser übers Deck. Die aufgespannten Planen schützen wenig vor dem Wind. Vor allem die Männer frieren: Während es für Frauen und Kinder an Bord einen Schutzraum gibt, schlafen sie an Deck auf dem Boden. Die Crew verteilt Rettungsdecken – und viele Tabletten gegen Seekrankheit.

Als das Schiff am nächsten Morgen in den Hafen einläuft, scheint die Sonne. Aufgeregt drängen sich die 261 Überlebenden an Deck und verfolgen das Anlegemanöver. Die italienischen Behörden und Hilfsorganisationen, die sie in Empfang nehmen werden, fordern Diego und Maria auf, die medizinisch dringendsten Fälle zuerst auszuschiffen. „Zusammen suchten wir zehn Leute aus“, so Diego später. „Darunter ­einen Mann mit einer schweren Atemwegsinfektion und zwei schwangere Frauen. Ich fand die Auswahl schwierig, denn eigentlich waren alle psychisch extrem belastet.“

 

Amidou und seine Mutter müssen noch etwas warten, bis sie italienisches Festland betreten dürfen. Die Frau aus Kamerun hat Tränen in den Augen, als sie sich von der Crew verabschiedet. Ihrem Baby geht es sichtlich besser, das Fieber ist verschwunden. Fröhlich lachend streckt Amidou Maria die Händchen entgegen. „Er hatte wohl nur ein Virus, nichts Schlimmes“, sagt die Krankenschwester. Ob sie so einen Einsatz noch einmal mitmachen würde? „Ja, auf ­jeden Fall“, sagt die 28-Jährige. „Für viele der Menschen, die wir gerettet haben, schien es das erste Mal zu sein, dass sich jemand um sie gekümmert hat.“


Quellen:

·       UNHCR: Most common nationalities of Mediterranean sea and land arrivals from January 2021. Online: https://data.unhcr.org/... (Abgerufen am 27.02.2023)

·       SOS Humanity: Humanity 1 at Sea. Online: https://sos-humanity.org/... (Abgerufen am 27.02.2023)

·       SOS Humanity: Pressemappe SOS Humanity 2022. Online: https://sos-humanity.org/... (Abgerufen am 27.02.2023)

·       Missing Migrants Projects: Missing Migrants recorded in Mediterrean since 2014. Online: https://missingmigrants.iom.int/... (Abgerufen am 27.02.2023)

 

 

·       UNO Flüchtlingshilfe: (Über-)Leben im "failed state". Online: https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/... (Abgerufen am 27.02.2023)

Evangelische Kirche begrüßt Finanzhilfe des Bundes für Seenotrettung

Im kommenden Jahr will Deutschland die Organisation United4Rescue mit einer Millionensumme unterstützen. Wofür das Geld verwendet werden soll.

Die "Sea-Watch 4" ist im Mittelmeer im Einsatz (Archiv)

Hannover. Die EKD hat die geplante staatliche Unterstützung für das Seenotrettungsbündnis United4Rescue begrüßt. Damit werde ein deutliches Zeichen für die zivile Seenotrettung gesetzt, erklärte die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus . „Die zivile Seenotrettung ist ein öffentlich sichtbarer und starker Protest gegen jeden Versuch, Flüchtlinge politisch zu instrumentalisieren und rechtlos zu machen“, sagte die westfälische Präses. Insofern bleibe die Seenotrettung eine Mahnung an die Politik, „ihrer Verantwortung nachzukommen, die Menschenrechte zu schützen und endlich zur staatlichen Seenotrettung zurückzukehren“, betonte sie.

In seiner entscheidenden Bereinigungssitzung für den Bundesetat 2023 hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags in der vergangenen Woche entschieden, dem von der EKD initiierten Bündnis United4Rescue im kommenden Jahr zwei Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Auch in den Folgejahren soll es diese Summe geben. Das Geld soll unter anderem für Rechtsberatung verwendet werden. Das Bündnis finanziert seine Hilfe im Mittelmeer bislang allein aus Spenden. Der Bundestag berät in der nächsten Woche abschließend über den Haushalt.

Hohe Dunkelziffer

Obwohl das Mittelmeer zu den gefährlichsten Fluchtrouten zählt, gibt es dort keine staatlich organisierte Seenotrettung. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen dort seit Beginn des Jahres 1.891 Flüchtlinge und Migranten ums Leben oder werden vermisst. Die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen. Zuletzt verweigerte die neue rechtsgerichtete Regierung Italiens mehreren privaten Rettungsschiffen mit jeweils Hunderten Überlebenden tagelang die Einfahrt.


Lesen Sie auch
„Ein Riesenerfolg“: Sea-Watch 5 in Hamburg getauft


United4Rescue wurde 2019 von der EKD initiiert. In dem zivilgesellschaftlichen Bündnis sind laut EKD mehr als 850 Organisationen und Gruppen verbunden, die sich für die Seenotrettung im Mittelmeer engagieren. Neben Organisationen gehören auch Städte und Gemeinden zu dem Bündnis. Kürzlich hat das Bündnis in Hamburg ein neues Schiff getauft, das von der Organisation Sea-Watch betrieben wird, um Bootsflüchtlinge im Mittelmeer zu retten. (epd)

 

Hallo Ulrich,

die Crew arbeitet auf unserer zukünftigen Humanity 1 im Trockendock auf Hochtouren. Der Rumpf der Sea-Watch 4 wurde in den vergangenen Tagen marineblau gestrichen und in Kürze leuchtet der neue Schriftzug „Humanity 1“ in grüngelber Signalfarbe auf dem Bug!

Wie wir auf die anstehenden Rettungen vorbereiten, erfährst Du in unserem heutigen #BehindTheScenes.

 
Humanity, das heißt Menschen mit Würde zu behandeln und ihre grundlegendsten Bedürfnisse zu achten.
Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer müssen meist ihr Hab und Gut in der Heimat zurücklassen. Die meisten gelangen nur mit der von dem ätzenden Benzin-Salzwassergemisch* durchtränkten Kleidung und den wichtigsten persönlichen Gegenständen an ihrem Körper an Bord des Rettungsschiffs. Die hygienischen Bedingungen auf den seeuntauglichen Booten sind haarsträubend.

Nach vielen Tagen auf See sind die Menschen durchnässt, erschöpft, sind dehydriert und ausgehungert und brauchen medizinische Versorgung.

Jede*r Gerettete erhält daher von uns ein Notfall-Kit, in dem sich Hygieneartikel, Kleidung und hochkalorische Notfallnahrung befinden. Es sind vor allem Dinge, die für unseren Alltag selbstverständlich sind, aber elementar für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Überlebenden an Bord.

 
 
Woraus besteht ein Notfall-Kit?
  • Trockene und warme Kleidung direkt nach Ankunft an Bord ist essenziell, um sich aufzuwärmen und warm zu bleiben. Besonders im Winter sind die Menschen nach der langen Zeit in den Booten völlig unterkühlt. Das Kit enthält neben Hose, Pulli, T-Shirt, 3 Paar Socken und Unterwäsche auch eine Mütze. Außerdem gehört zur Ausstattung eine dicke Fließdecke, die nach Reinigung an Bord weiterverwendet wird.
     
  • Um die grundlegendsten hygienischen Bedürfnisse wie Waschen, Duschen und Zähneputzen an Bord erfüllen zu können, bekommen die Geretteten ein Handtuch, Zahnbürste, Zahnpasta und Seife.
     
  • Außerdem erhalten die vielfach unter Wassermangel leidenden Geretteten ein erstes Notfallpaket mit Trinkwasser sowie hochkalorischer Nahrung. Denn die Tage in den Booten haben die Menschen vollkommen ausgezehrt.
Wir sind sehr froh ab Ende August wieder im Einsatz sein zu können, um Menschen in Seenot zu retten und mit Menschlichkeit zu begegnen.
 
Viele Grüße von deinem SOS Humanity-Team
#TogetherForRescue

P.S.: Ein Rescue Kit für eine Person kostet 30€. Deine Spende hilft, unsere Humanity 1 für die kommenden Einsätze auszustatten und damit Leben zu retten!
Jetzt spenden!
 

 

Hallo Alle*, 

vor wenigen Tagen jährte sich die Verwüstung des Geflüchtetenlagers Moria durch mehrere Feuer. Die Bilder der vor den Bränden fliehenden Menschen gingen um die Welt. Auf die Versprechen einer „europäischen Lösung“ für die humanitäre Katastrophe an den EU-Außengrenzen folgte stattdessen die Errichtung von „Moria 2.0“ und eine noch stringentere Abschottungspolitik.

Was dieses Warten auf eine europäische Lösung konkret für die Menschen bedeutet, die auf der Suche nach einem sicheren Leben versuchen, Europa zu erreichen, haben wir diese Woche in unserem ganz persönlichen Bundestagswahlspot „Menschenrechte sind #unverhandelbar“ gemeinsam mit unseren Freund:innen von LeaveNoOneBehind und United4Rescue gezeigt. Das Video findest Du hier.

 

Die menschenverachtenden Zustände an den EU-Außengrenzen sind keine Naturkatastrophe, sondern Resultat des mangelnden politischen Willens! Die zivile Seenotrettung und weitere Initiativen an den Außengrenzen führen der EU Tag für Tag aufs Neue vor Augen, dass wir bereit sind, zu retten. Hinter uns steht ein breites, zivilgesellschaftliches Bündnis, doch trotz zahlloser aufnahmebereiter Kommunen und sicherer Häfen verweigert der Bund weiterhin die Aufnahme von Flüchtenden.

Menschenrechte sind #unverhandelbar, deswegen fordern wir von der neuen Bundesregierung:

  • das Ende der Kriminalisierung von Menschen auf der Flucht
  • eine EU-finanzierte und -organisierte Seenotrettung
  • die Evakuierung sämtlicher Lager
  • Bleiberecht für alle, die bleiben wollen!

Hinter der EU-Abschottungspolitik stehen tausende Politiker:innen, die in den letzten Jahren durch ihr Abstimmungsverhalten und ihr Wegschauen zu dieser humanitären Katastrophe beigetragen haben.

 

Seebrücke Jahresrückblick 2021 

Ein turbulentes Jahr geht zu Ende und Corona hält uns noch immer in Atem. Trotzdem war dieses Jahr wieder unglaublich viel los und wir blicken dankbar auf das vergangene Jahr zurück: Heute ist es Zeit, Danke zu sagen!
Die Seebrücke sagt DANKE! <3
Du hast die Seebrücke in diesem Jahr unterstützt: Mit Deinem Engagement als Aktivist*in, als Spender*in, als Förder*in. Dafür danken wir Dir von ganzem Herzen! Auch dieses Jahr konnten wir einige Erfolge feiern: Gemeinsam haben wir eine starke Bundestagswahl-Kampagne auf die Beine gestellt und in hunderten Aktionen in den Lokalgruppen, zwei Aktionstagen und einer großen Aktion vor dem Bundestag gezeigt: Menschenrechte sind #unverhandelbar! Lauthals haben wir für die Aufnahme aus Afghanistan gestritten, sind für Seenotrettung auf die Straßen gegangen, haben eine #Luftbrücke gefordert und die politischen Verantwortlichen zum Handeln gezwungen.

Auch dieses Jahr haben sich weitere Kommunen zu Sicheren Häfen erklärt: Über 70 neue Orte sind dazugekommen. Alleine in Deutschland streiten heute knapp 300 Kommunen für eine zusätzliche Aufnahme von geflüchteten Menschen. Das ist unser Aller Erfolg! Alle zusammen haben wir es geschafft, migrationspolitische Themen in die Öffentlichkeit zu rücken. Gemeinsam und mit Deiner Hilfe konnten wir viel bewegen – doch unser Ziel ist noch nicht erreicht. Auch im kommenden Jahr braucht es den Druck auf der Straße und eine laute Stimme der Zivilgesellschaft für die Menschenrechte. Unterstütze die Seebrücke jetzt mit einer Förderspende und ermögliche damit einen kraftvollen Start ins Jahr 2022! 
Werde Förder*in!
Das Foto zeigt eine Person, die die rechte Hand zu einer Faust geballt in die Luft hält. Im Hintergrund sind weitere Menschen mit dieser Geste zu erkennen. Das Foto wurde am 15.05.2021 von Paul Wagner bei der Demonstration für Familiennachzug in Berlin aufgenommen.
Das Foto zeigt viele Menschen, die gemalte Plakate und Fotos von ihren Familien hochhalten. Das Foto wurde am 15.05.2021 von Paul Wagner bei der Demonstration für Familiennachzug in Berlin aufgenommen.
Das Foto zeigt im Zentrum des Bildes eine Person, die ein rotes Plakat in die Luft streckt. Darauf steht: Familie gehören zusammen. Das Foto wurde am 15.05.2021 von Paul Wagner bei der Demonstration für Familiennachzug in Berlin aufgenommen.

#AufnahmeStattAbschottung

In das Jahr 2021 ist die Seebrücke mit bundesweiten Aktionen unter dem Slogan „Aufnahme statt Abschottung“ gestartet. Ein paar Monate nach dem Brand in Moria wütete im Januar ein Feuer auch im Camp Lipa in Bosnien. Hierbei verloren über 1.000 Menschen ihr letztes Dach über dem Kopf und wurden dadurch schutzlos Schnee und Kälte ausgesetzt. Mit Aktionen hat die Seebrücke klar und ausdrücklich gefordert: Schluss mit Abschottung, bringt die Menschen in Sicherheit!

#TheyLetThemDrown

Im April ereignete sich ein tragisches Szenario: Über 100 Menschen haben bei einem Seenotfall im Mittelmeer ihr Leben verloren. Dies war kein Unfall –sowohl europäische als auch libysche Behörden wussten über den Notfall bescheid, es wurde trotzdem keine Rettung eingeleitet. Es war ein politisch gewolltes Sterbenlassen durch die EU. Am darauf folgenden Wochenende am 24. und 25. April startete die Seebrücke daher Aktionstage und in Dutzenden Lokalgruppen wurde der Protest auf die Straßen gebracht.

#FamilienlebenFürAlle

Am 15. Mai 2021, dem internationalen Tag der Familien, hat die Seebrücke gemeinsam mit der Initiative Familiennachzug Eritrea und ProAsyl vor dem Auswärtigen Amt in Berlin eine Demonstration organisiert. Tausende Menschen, darunter viele Familien und Kinder, die selbst von der unmenschlichen Praxis des Auswärtigen Amtes betroffen sind, waren auf der Straße und haben vom Außenminister gefordert: Die Blockade des Familiennachzugs muss beendet werden. Diese Politik ist geflüchteten- und familienfeindlich: Der Nachzug von Familien muss möglich sein! Die Seebrücke kämpft an der Seite von etwa 1.000 geflüchteten Menschen aus Eritrea, denen seit vielen Jahren das Recht auf Familiennachzug verwehrt wird. Denn als Seebrücke kämpfen wir auch dafür, dass jeder Mensch das Recht hat, mit seiner Familie zusammen zu leben: #FamilienLebenfürAlle!

Video Familienleben für Alle
Das Foto zeigt das Reichtagsgebäude und -wiese in Berlin beim Aufbau der Mosaik-Aktion. Es erscheint bereits der Schriftzug "Menschenrechte sind #unverhandelbar". Das Foto ist aus der Luft aufgenommen.
Das Foto zeigt Menschen, die Portraits-Fotos am Boden befestigen. Das Foto wurde aufgenommen von Nora Börding.
Das Foto zeigt die Wiese vor dem Reichstagsgebäude vollständig bedeckt mit Tausenden Fotos. Das Foto wurde aufgenommen von Bahar Kaygusuz.
Menschenrechte sind #unverhandelbar!

Die Bundestagswahl hat die Seebrücke in diesem Jahr besonders beschäftigt und gemeinsam mit anderen Organisationen haben wir die Kampagne Menschenrechte sind #unverhandelbar gestartet, um allen Parteien klar zu demonstrieren: Wir nehmen es nicht hin, wenn Menschenrechte und Menschenleben zur Verhandlungsmasse gemacht werden! Zum Start der Kampagne waren die Seebrücke Lokalgruppen in über 50 Städten mit tausenden Menschen deutschlandweit am World Refugee Day auf den Straßen und haben unsere Stimme für die Menschenrechte erhoben! Ebenfalls waren wir am 7. August – am Tag der Seenotrettung – mit einem breiten Bündnis europaweit auf der Straße und haben gefordert: Seenotrettung ist #unverhandelbar!

Eine Woche vor der Bundestagswahl haben wir ein riesiges Mosaik aus 48.000 Fotos auf der Wiese vor dem Bundestag ausgebreitet. Hunderte Aktivist*innen und Du mit Deiner Spende haben dieses eindrucksvolle Aktionsbild möglich gemacht. Danke für diese Unterstützung!

Die einzelnen Fotos waren Abbildungen von Politiker*innen und Entscheidungsträger*innen, die z.B. durch Aussagen oder ihr Abstimmungsverhalten in den letzten Jahren maßgeblich zu der Abschottung Deutschlands und Europas beigetragen haben. Die Tausenden Fotos waren auf der Wiese so angeordnet, dass sie alle zusammen – aus der Höhe betrachtet – ein großes Bild ergeben haben, welches symbolisch für die europäische Abschottungspolitik und ihre tödlichen Grenzen steht. Mit dieser Aktion haben wir es geschafft, kurz vor der Wahl nochmals aufzuzeigen, wer mitverantwortlich für die Tausenden Toten an den EU Außengrenzen ist und abgewählt werden muss!

Wie das größte Mosaik der Welt entstanden ist, siehst Du in diesem Video:
Video Mosaik-Aktion
Eine andere Migrationspolitik ist möglich:
Moving Cities - eine andere Migrationspolitik ist möglich!
Europäische Bürgermeister*innen erheben ihre Stimmen!

Seit mehr als drei Jahren streiten wir bereits gemeinsam mit knapp 300 Kommunen in Deutschland für eine solidarische Migrationspolitik und eine zusätzliche Aufnahme von geflüchteten Menschen. Ende Juni hat die Seebrücke gemeinsam mit der Stadt Potsdam und Palermo die europäische Städte-Konferenz “From the Sea to the City” in Palermo organisiert. Bei dieser Konferenz kamen insgesamt 40 Bürgermeister*innen aus neun verschiedenen Ländern zusammen und haben sich klar und deutlich gegen die Lager an den EU-Außengrenzen und für eine solidarische Aufnahme und Verteilung von geflüchteten Menschen in Europa ausgesprochen. Auf dem Kongress wurde das europäische Bündnis European Safe Harbours gegründet, das nun gemeinsam mit der Seebrücke für eine solidarische Migrationspolitik auf europäischer Ebene streitet. Hiermit haben wir den Protest der Städte und Kommunen auf die europäische Ebene gehoben. Das ist ein großer politischer Erfolg!


Moving Cities – Migrationspolitik kann auch anders!

Am 21. Oktober 2021 ist nach zwei Jahren Recherchearbeit die Plattform Moving Cities online gegangen: Dieses Mapping zeigt in fünf Sprachen, dass über 700 Städte aus ganz Europa eine solidarische Migrationspolitik unterstützen. Diese Website bietet einen Einblick in 28 progressive und solidarische Städte und ihre Strategien zur Aufnahme von geflüchteten Menschen in zehn europäischen Ländern. Das Projekt Moving Cities zeigt: Eine andere Migrationspolitik ist nicht nur möglich, sondern findet bereits statt. Während nationale und EU-geführte politische Reformen seit Jahren in einer Sackgasse stecken, setzen sich bereits mehr als 600 Kommunen von Polen bis Portugal für eine solidarische Migrationspolitik ein und Dutzende Städte gehen mit innovativen lokalen Lösungen mit gutem Beispiel voran.

Wir sind überzeugt, dass eine Bewegung für solidarische Migrationspolitik in Europa nur europaweit gedacht werden kann. Die Datenbank-Karte der Moving Cities und die Konferenz in Palermo waren ein großer Schritt für die Vernetzung auf europäischer Ebene. Um den notwendigen Druck für politische Veränderungen auf EU-Ebene allerdings auch europaweit realisieren zu können, braucht die Seebrücke im kommenden Jahr Deine Unterstützung. Spende jetzt, damit wir 2022 diese Stoßrichtung weiter vorantreiben können!
Spende an die Seebrücke
Das Foto zeigt eine große Menschenmenge auf einer Demo für die Evakuierung aus Afghanistan. Das Foto wurde aufgenommen von Hami Roshan.
Das Foto zeigt mehrere Menschen mit Plakaten: "Luftbrücke jetzt!" und "Save lives now" steht darauf. Das Foto wurde von Hami Roshan auf einer Demonstration in Berlin aufgenommen.
Das Foto zeigt zwei Personen, die Person im Vordergrund hält ein Plakat mit der Aufschrift: "Wir wollen endlich Frieden & Gerechtigkeit in unserem Land", darunter ist eine afghanische Flagge gemalt. Das Foto wurde aufgenommen von Hami Roshan.
#LuftbrückeJetzt

Als die Taliban im August 2021 die Macht in Afghanistan übernommen haben, waren wir als Seebrücke mit tausenden Menschen auf der Straße und haben mit Demonstrationen und Aktionen in ganz Deutschland gefordert: Luftbrücke jetzt! Schafft sichere Fluchtwege aus Afghanistan! Gemeinsam mit anderen Organisationen haben wir uns für schnelle Evakuierungen aus Afghanistan eingesetzt.

#GrünesLichtfürAufnahme

Zum Tag des Mauerfalls sind Aktivist*innen der Seebrücke zusammen mit dem Bündnis Mauerfall.jetzt mit einem Bus an die polnisch-belarussische Grenze gefahren, haben Sachspenden an polnische Organisationen übergeben und an das Bundesinnenministerium appelliert: Wir könnten jetzt sofort Menschen mit dem Bus in Sicherheit bringen! Gleichzeitig haben wir am Wochenende des ersten Advent gemeinsam mit der Organisation Campact e.V. 9.000 grüne Lichter vor dem Bundestag aufgestellt und mit diesem starken Aktionsbild #GrünesLichtFürAufnahme gefordert. 
Im kommenden Jahr haben wir Vieles vor!

Wir sehen es als eine Chance, dass es eine neue Bundesregierung gibt: Doch ohne unser aller Druck auf der Straße wird auch diese Bundesregierung  nicht die Situation von geflüchteten Menschen an den Außengrenzen  Europas verbessern. Deswegen braucht es uns heute mehr denn je! Auch im nächsten Jahr werden wir mit großen Aktionstagen, öffentlichkeitswirksamen Aktionsbildern, Veranstaltungen und Diskussionen die Bundesregierung unter Druck setzten und klar und deutlich aufrufen: ES IST ZEIT ZU HANDELN!

Gemeinsam mit Kommunen in Deutschland und Europa wollen wir eine solidarische Migrationspolitik Realität werden lassen.

Für all das und viele weitere Vorhaben brauchen wir weiterhin Support von vielen Menschen und auch Deine Unterstützung! Die Seebrücke finanziert sich ausschließlich über Spenden und Förderungen, allerdings besteht der Großteil der Spenden bisher aus Einzelspenden. Gesellschaftliche Veränderungen brauchen aber einen langen Atem und daher eine finanzielle Planungssicherheit. Fördere auch Du die Seebrücke mit einem monatlichen Betrag von 10 Euro und engagiere Dich für eine solidarische Zukunft!

2021 haben wir gezeigt: Gemeinsam sind wir stark – und wir können noch viel mehr gemeinsam tun, um die Migrationspolitik in Deutschland und Europa dauerhaft zum Besseren zu verändern.
 
 Packen wir es an!
 
 WIR ALLE SIND DIE SEEBRÜCKE!
Werde Förder*in!
Du möchtest mehr über die Seebrücke erfahren? Hier geht es zum FAQ!
______________________________________________________________
 

Heinrich-Bedford-Strohm:

„Eine moralische Bankrotterklärung“

Die Corona-Pandemie verdrängt das Thema Migration und Flucht. Doch nach wie vor leiden Flüchtlinge in Lagern an den Grenzen Europas – oder sterben auf ihrem Weg über das Mittelmeer.

Flüchtlinge an Bord der Sea-Watch 4 im August 2020

 

von Dieter Sell.    13.1.2021

Bremen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat erneut und scharf die Blockade von Schiffen kritisiert, die Menschen im Mittelmeer vor dem Ertrinken retten. Das lasse Europa zu, während die europäischen Staaten gleichzeitig ablehnten, selbst die Seenotrettung wieder aufzunehmen, sagte der Theologe bei einem Online-Symposium der Bremischen Evangelischen Kirche zu Migration und Flucht. Auch im neuen Jahr seien bereits wieder Menschen ertrunken: „Das ist ein moralischer Skandal.“

Europa verrate so seine eigenen ethischen Traditionen, mahnte Bedford-Strohm. „Aus der Sicht christlicher Grundorientierungen ist es für das Hilfshandeln nicht entscheidend, warum Menschen in Lebensgefahr geraten, sondern nur, dass sie in Lebensgefahr sind.“ Dann müsse man schlicht retten. Alle politischen Diskussionen um die Steuerung von Migration und um den Umgang mit Asylsuchenden könnten und müssten geführt werden: „Aber nicht anstatt des Rettens von Menschenleben. Die Rettung hat immer Vorrang.“

Von Humanität geprägt

Deshalb appelliere er gerade an die europäischen Staaten, die sich besonders auf das Christentum bezögen, die damit verbundenen ethischen Grundorientierungen endlich ernst zu nehmen. Sie müssten gemeinsam mit allen Staaten Europas eine Flüchtlingspolitik entwickeln, die nicht von Abschottung, sondern von Humanität geprägt sei.

Kleiner Junge in einem Flüchtlingslager im türkischen Grenzgebiet zu Syrien Foto: Christian Ditsch / epd

Ebenfalls kritisierte Bedford-Strohm, dass das Seenotrettungsschiff „Sea-Watch 4“ weiterhin an einem Einsatz auf dem Mittelmeer gehindert werde. „Daran konnte auch ein Gespräch nichts ändern, das ich im November mit der italienischen Verkehrsministerin Paola de Micheli und dem Chef der italienischen Küstenwache geführt habe“, sagte er.

Das von der EKD mitfinanzierte Schiff ist im September von den italienischen Behörden in Palermo festgesetzt worden, nachdem es bei seinem ersten Einsatz mehr als 350 Menschen aus Seenot gerettet hatte. Zur Begründung waren angebliche Sicherheitsmängel genannt worden. „Es geht dabei zum Beispiel darum, dass die Sea-Watch 4 nicht als Rettungsschiff registriert ist“, sagte Bedford-Strohm. Es gebe im Flaggenstaat Deutschland aber gar keine Registrierung als Rettungsschiff.

Sea-Watch gehe auch juristisch gegen die Blockade vor. „Die Entscheidung wurde jetzt vom Verwaltungsgericht in Palermo an den Europäischen Gerichtshof verwiesen. Ob die Festsetzung des Schiffes ausgesetzt werden soll, entscheidet sich am 26. Januar.“

Von wegen „Erfolg“

Zur gesunkenen Zahl an Asylanträgen in Deutschland im vergangenen Jahr sagte Bedford-Strohm, das sei für ihn nicht der richtige Weg. Es sei eine Schande, dass Europa die erbärmlichen Umstände in Flüchtlingslagern wie auf der griechischen Insel Lesbos und im bosnischen Camp Lipa zulasse. „Wenn Flüchtlingszahlen in Europa nicht durch die Beseitigung der Not, sondern aufgrund von Abschreckung durch menschenunwürdige Zustände gesenkt werden, dann ist das kein Erfolg, sondern eine moralische Bankrotterklärung.“

Heinrich Bedford-Strohm Foto: epd

Nach der vom Bundesinnenministerium in Berlin veröffentlichten Asylstatistik wurden im vergangenen Jahr etwa 76.000 Erstanträge von Einreisenden auf Schutz in Deutschland gestellt, fast ein Drittel weniger als im Vorjahr. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte die Zahl mit den Worten kommentiert, die Maßnahmen zur Steuerung der Migration wirkten, „wir sind auf dem richtigen Weg“.

Zusammen mit Vertretern der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Arbeiterwohlfahrt (AWO) betonte Bedford-Strohm, das Thema Migration und Flucht müsse trotz Corona-Pandemie wieder in den politischen Fokus. Deshalb plädierte der Präsident des AWO-Bundesverbandes, Wilhelm Schmidt, für eine Zusammenarbeit und für mehr mediale Aktivität. (epd)

Bitte hier im Original (evangelische Zeitung) lesen: Klick mich

 

 

 

___________________________________________


DAS WAR 2020

 

 

 

Einsatz von SOS Mediteranee in 2020 im Mittelmeer

... Klick mich

 

___________________________________________

 

_____________________________________________________________________

18.12.2020

Seit Jahren werden die Crews unserer Luftaufklärungsmission Airborne im zentralen Mittelmeer wiederholt Zeug*innen des völkerrechtswidrigen Handelns der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Auch gestern flogen wir wieder eine Mission über der libyschen Such- und Rettungszone, um sicher zu stellen, dass das zentrale Mittelmeer auch während der Wintermonate nicht zu einem blinden Fleck wird.

Foto: Friedrich Bungert

Laut Genfer Flüchtlingskonvention und europäischem Menschenrecht ist es nicht erlaubt, Menschen in Staaten zurückzubringen, in denen ihnen Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Zu jenen Staaten zählt auch das Bürgerkriegsland Libyen. Da diese aktiven Zurückweisungen explizit verboten sind, hilft Frontex stattdessen bei sogenannten „Pull-Backs“, mit denen Geflüchtete nicht von EU-Einheiten selbst, sondern von der EU-finanzierten sogenannten libyschen Küstenwache nach Libyen zurückgebracht werden. Mit anderen Worten: Die EU lagert die Drecksarbeit ihres tödlichen Grenzregimes einfach aus. Verantwortlich ist sie aber trotzdem, denn diese Pull-Backs werden nicht selten aus der Luft unter Beteiligung von Flugzeugen der Grenzschutzagentur eingeleitet. “Das ist als würde man einen Auftragsmörder engagieren und anschließend behaupten, man habe mit dem Mord nichts zu tun gehabt” so Felix, der seit Jahren als Teil der Flugzeugcrew eben diese Praxis aus der Luft mitbeobachtet.

Unsere Airborne Crew bezeugt einen Pull-Back der sogenannten Libyschen Küstenwache
Bei solchen völkerrechtswidrigen Praktiken ist es kein Wunder, dass Frontex mit allen Mitteln versucht, Informationen vor der europäischen Zivilbevölkerung zurückzuhalten. Nicht nur leugnet Frontex nach wie vor die von ihnen verursachten Menschenrechtsbrüche, die Agentur geht aktuell auch aktiv gegen Menschen vor, die Licht in die dubiosen Machenschaften von Frontex bringen wollen. Nachdem Aktivist*innen im letzten Jahr eine Auskunftsklage gegen Frontex verloren hatten, stellte Frontex ihnen Anwaltskosten im 5-stelligen Bereich in Rechnung. Frontex klagt dieses Geld nun ein, um an den Aktivist*innen ein Exempel zu statuieren und auf Nummer sicher zu gehen, dass sich in Zukunft niemand mehr traut, Transparenz einzufordern. Eine Grenzschutzagentur, die im Auftrag der Europäischen Union mit undurchsichtigen Methoden Schutzsuchende an Europas Grenzen abweist und an Menschenrechtsverletzungen beteiligt ist, ist nicht haltbar!
Foto: Viktor Poisson

Heute ist Tag der Migrant*innen - und zu diesem Anlass ziehen wir traurige Bilanz: Europa ist Schauplatz ständiger Verletzungen der Rechte von Flüchtenden geworden. Wir sind fassungslos, dass auch in diesem Jahr bereits mindestens 1000 Menschen auf der Suche nach einem sicheren Leben ertrunken sind und Tausende mehr bei ihrem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, zurück ins Bürgerkriegsland Libyen verschleppt wurden.

Es muss klar benannt werden: Die humanitäre Krise an den EU-Außengrenzen ist kein Zufall, sondern politischer Wille und Teil der rassistischen, europäischen Migrationspolitik! Frontex ist nichts anderes als das klägliche und menschenverachtende Produkt der seit Jahren von der EU betriebenen Abschottungspolitik.

Mit Hilfe der Daten, die unsere Airborne-Crew von der Luft aus erhebt, können Akteure wie Frontex für ihre Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden. Unsere Arbeit soll so auch jenen eine Stimme geben, die ihr Leben auf der Überfahrt verlieren oder mit Beteiligung der EU daran gehindert werden, Europa sicher zu erreichen. Darum bleiben wir als ziviles Auge auch 2021 über dem zentralen Mittelmeer aktiv und fordern: Frontex auflösen!

Wir werden auch weiterhin alles in unserer Macht stehende unternehmen, um Frontex und den ständigen Menschenrechtsverletzungen an unseren Außengrenzen etwas entgegenzusetzen.

Hilf uns durch Deine Spende oder Fördermitgliedschaft. Gemeinsam gegen die tödliche Migrationspolitik Europas - auf dem Wasser, in der Luft und an Land!


Dein Sea-Watch Team

_____________________________________________________________________________________________

 15.November 2020 © ekd

Bündnis United4Rescue finanziert mit der Sea-Eye-4 ein weiteres Rettungsschiff

EKD Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm unterstreicht die Notwendigkeit der zivilen Seenotrettung

Das Bündnis für Seenotrettung United4Rescue, dem mittlerweile mehr als 660 Bündnispartner angehören, will den Kauf und maßgeblich auch den Umbau des neuen Rettungsschiffes “SEA-EYE 4” finanzieren.

Der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford Strohm, begrüßt die Finanzierung des neuen Bündnisschiffes: "Ich bin dankbar dafür, dass Sea Eye nun ein weiteres Schiff in den Einsatz im Mittelmeer bringen kann. Gerade die letzten Tage haben gezeigt, wie dringend notwendig das ist. Das konkrete Handeln der zivilen Seenotretter überwindet die Ohnmacht, die wir empfinden, wenn wir die Bilder von ertrinkenden Menschen im Mittelmeer sehen. Nur durch unsere Unterstützung können sie gerettet werden."

Bedford-Strohm dankt den Unterstützern

Bedford-Strohm dankte den vielen Unterstützern des Bündnisses United4Rescue: "Die Hilfe bei der Finanzierung eines weiteren Rettungsschiffes ist jetzt möglich, weil so viele Menschen auf das Spendenkonto von United4Rescue eingezahlt haben, um die Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, die uns alle verbindet: Man lässt Menschen nicht ertrinken. Die Sea Eye 4 kann einen weiteren wichtigen Beitrag dazu leisten, dass diesem Satz Taten folgen."

Bedford Strohm machte darüber hinaus deutlich, dass die evangelische Kirche auch in Zukunft solidarisch an der Seite der zivilen Seenotretter stehen wird: "Wir werden die zivile Seenotrettung nach Kräften unterstützen, solange Menschen weiter zu Hunderten im Mittelmeer ertrinken und niemand sonst sie rettet. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass so viele Menschen in unserem Bündnis United4Rescue sich daran beteiligen."

Das Rettungsschiff wird derzeit umgebaut

Das ehemalige Offshore-Versorgungsschiff (Baujahr 1972, 55 m lang, 11 m breit) wird aktuell zum Rettungsschiff umgebaut und durch die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye e.V. betrieben. Die “SEA-EYE 4” ist deutlich größer als die “ALAN KURDI”, das derzeitige Rettungsschiff der Organisation.

United4Rescue will neben dem Kaufpreis auch maßgeblich den Umbau des Rettungsschiffes finanzieren. Insgesamt will sich das Bündnis mit 434.000,00 € am Projekt beteiligen. Um die “SEA-EYE 4” möglichst schnell in den Einsatz schicken zu können, hat United4Rescue eine Spendenkampagne auf der Website http://www.wirschickennocheinschiff.de gestartet.


 

INTERVIEW MIT BEDFORD-STROHM

„Ein starker Moment in der deutschen Geschichte“

 

Vor fünf Jahren kamen Zehntausende Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof an - Landesbischof Bedford-Strohm hat das Geschehen am Münchner Hauptbahnhof hautnah miterlebt. Im Gespräch erklärt er seine Eindrücke über das historische Moment.

Von Christiane Ried

Freitag, 28.08.2020, 5:23 Uhr| Lesedauer: 6 Minuten   

Der Münchner Spätsommer 2015 ist in die Geschichte eingegangen. Tag für Tag kamen damals in der ersten Septemberhälfte Tausende Flüchtlinge über die Balkan-Route nach München. Sie waren wochenlang unterwegs, kamen vor allem aus Syrien und Afghanistan und wagten den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Griechenland, weiter nach Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich. Ihr Sehnsuchtsort: Deutschland. Der bayerische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat das mittlerweile historische Geschehen im September 2015 hautnah miterlebt: am Münchner Hauptbahnhof und auf der Balkan-Route selbst. Im Gespräch blickt er zurück.

Sie wohnen und arbeiten in München, Ihr Büro liegt nur wenige Meter vom Hauptbahnhof entfernt. Wie haben Sie damals die Ankunft der Tausenden Flüchtlinge erlebt?

Heinrich Bedford-Strohm: Bei einem gemeinsamen Mittagessen haben Erzbischof Reinhard Marx und ich uns über die ankommenden Flüchtlinge unterhalten und dann spontan beschlossen, zum Hauptbahnhof zu gehen, um uns selbst ein Bild von der Lage zu machen. Es war unglaublich. Zum einen die Flüchtlinge, die sichtlich erschöpft von ihrer Reise waren, aber auch sehr glücklich, endlich willkommen geheißen zu werden, nachdem sie in jedem Land, das sie durchquert hatten, unerwünscht waren. Zum anderen die vielen Ehrenamtlichen, die die Menschen herzlich begrüßt und mit dem Nötigsten versorgt haben – Essen, Trinken, Hygieneartikel und auch Kleinigkeiten für die Kinder. Das hat mich sehr bewegt, das war ein starker Moment in unserer deutschen Geschichte.

Haben Sie damals schon geahnt, dass Sie einen historischen Moment erleben?

Ja, das habe ich schon geahnt. So etwas haben wir in unserem Land ja noch nie erlebt. Man hat gespürt, welche Kraft in unserer Gesellschaft steckt. Polizei, Verwaltung, Ehrenamtliche, auch unsere Kirchengemeinden, haben innerhalb kürzester Zeit eine Infrastruktur geschaffen, um die Flüchtlinge zu versorgen und dann weiter in Unterkünfte zu verteilen. Das hat doch vorher kaum jemand für möglich gehalten, dass so viel spontane Hilfsbereitschaft da ist.

Die Flüchtlinge kamen damals zu Zehntausenden über die sogenannte Balkan-Route nach Deutschland. Sie sind im September 2015 selbst nach Ungarn und Serbien gereist und haben sogar den Moment miterlebt, als Ungarn seine EU-Außengrenze geschlossen hat – und damit auch die Balkan-Route.

Das war eine sehr bewegende Reise. Denn plötzlich bekamen all die Nachrichten und Zahlen, wie viele Flüchtlinge eigentlich unterwegs sind, ein Gesicht. Besonders in Erinnerung sind mir noch die Bilder, als ich an der ungarisch-serbischen Grenze an den Bahngleisen den Flüchtlingen entgegengelaufen bin. All diese Menschen, die quasi in letzter Minute noch die offene Grenze passieren und die Europäische Union erreichen wollten. Ich habe Menschen getroffen, die alles verloren hatten: ihre Angehörigen oder Freunde, ihr Hab und Gut – entweder im Krieg oder bei der gefährlichen Bootsüberquerung im Mittelmeer. Hinter jedem einzelnen dieser Menschen steckt eine leidvolle Geschichte. Als Ungarn sein letztes Grenzstück zu Serbien geschlossen hatte, sind wir weiter Richtung Süden gefahren zur serbisch-mazedonischen Grenze. Dort haben mir die Flüchtlinge erzählt, dass sie trotz der geschlossenen EU-Grenze nicht umkehren werden. Spätestens da war klar: Eine Verbarrikadierung der EU vor den Flüchtlingen ist der falsche Weg.

Was wäre der richtige gewesen Ihrer Meinung nach?

Damals wie heute hätte es legale Fluchtwege in die EU gebraucht. Man kann nicht einfach die Grenzen zumachen, die Augen vor dem Leid der Menschen verschließen und die Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen allein Ländern außerhalb der EU zuschieben. Oder die Flüchtlinge auf lebensgefährliche Fluchtwege zwingen. Wir sind christlich geprägt und haben daher eine Verantwortung für Menschen in Not. Alle Länder müssen ihren Teil der Verantwortung tragen.

Das beste Mittel ist immer noch, den Menschen in ihrer Heimat ein Leben mit Perspektiven zu ermöglichen: Dazu braucht es etwa eine vernünftige Klimapolitik. Denn wenn der Klimawandel weiter voranschreitet, müssen die Menschen irgendwann vor Dürre und Hunger fliehen. Es braucht außerdem eine vernünftige Handelspolitik. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass wir billige Hähnchenteile aus der EU nach Afrika schicken und so afrikanischen Kleinbauern das Geschäft wegnehmen. Wir müssen also – wie es etwas sperrig heißt – die Fluchtursachen bekämpfen. Das machen wir Kirchen mit unserem weltweiten Netzwerk und unserer Entwicklungsarbeit ja seit jeher.

Haben die EU und Deutschland aus dem Jahr 2015 gelernt? Immerhin sitzen derzeit immer noch Tausende Flüchtlinge auf der griechischen Insel Lesbos fest. Aber so richtig interessiert das gerade niemanden.

Was seit Jahren auf Lesbos passiert, ist ein Skandal. Dort sitzen nach meiner Information mindestens 16.000 Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen fest. Die hygienischen Bedingungen sind katastrophal, aufs Essen müssen die Menschen stundenlang warten. Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn dort Corona ausbricht. Dann hätten wir eine noch größere humanitäre Katastrophe. Dass die EU nicht einmal in der Lage ist, 1.600 Kinder und Jugendliche von dort aufzunehmen, ist unfassbar. Diejenigen EU-Länder, die helfen wollen, sollten eine Koalition der Willigen bilden und nicht darauf warten, bis sich alle EU-Staaten einig sind.

Die Menschen, die die Asylsuchenden am Münchner Hauptbahnhof willkommen geheißen haben, wurden schnell von manchen verächtlich als „Bahnhofsklatscher“ betitelt, Flüchtlingshelfer als „Gutmenschen“. Wurde im Spätsommer 2015 der Weg geebnet für den Aufstieg der AfD und Rechtspopulisten?

Natürlich hat es infolge der Ereignisse Hetze und Hass von rechtspopulistischer Seite gegeben. Verstärkt wurde diese Dynamik durch die sozialen Netzwerke – Angst- und Hassbotschaften werden nun mal häufiger angeklickt und durch die Algorithmen nach oben gespült. Daher war es auch nicht gerade förderlich, dass Politiker, wie etwa der damalige Finanzminister und heutige Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Begriffe wie „Asyltourismus“ oder „Asylmissbrauch“ in den Mund genommen haben. Das hat den Rechtspopulisten nur in die Hände gespielt. Ich will aber auch betonen: Markus Söder hat sich später von seinen Aussagen distanziert. Dafür war ich sehr dankbar, das war ein Zeichen von Größe und Ausdruck eines Lernprozesses, vor dem ich großen Respekt habe. Ich bin jedenfalls froh, dass sich am Ende die Stimmen der Vernunft durchgesetzt haben. Man holt sich ja keine Stimmen von der AfD zurück, indem man selbst deren Wortwahl gebraucht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat 2015 ihren berühmten „Wir schaffen das“-Satz gesagt. Jetzt fünf Jahre später: Haben wir es tatsächlich geschafft?

Dass eine Regierungschefin in einer schwierigen Situation nicht Angst verbreitet, sondern Zuversicht, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Natürlich hat es Schwierigkeiten gegeben, das war ja zu erwarten. Wir mussten ja erst einmal lernen, wie wir all die Menschen integrieren können. Das klappt zum Beispiel besser in dezentralen Unterkünften und nicht in großen Sammelunterkünften, wo die Stimmung wegen der mangelnden Privatsphäre schnell mal aggressiv werden kann. Und natürlich klappt die Integration nicht bei jedem gleich gut. Aber inzwischen sind rund eine halbe Million Flüchtlinge entgegen aller anfänglichen Befürchtung in Arbeit oder Ausbildung. Das ist doch eine riesige Leistung und eine Erfolgsgeschichte für unser Land! (epd/mig)

 


„Sea-Watch 4“ rettet über 200 Menschen aus Seenot

 

Seit Freitag patrouilliert die „Sea-Watch 4“ in der Rettungszone vor Libyen. 

24.08.2020

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,

unser Schiff rettet Leben:

Nach drei Einsätzen in weniger als 48h befinden sich aktuell mehr als 200 Gerettete an Bord der Sea-Watch 4!

Nach zwei ersten Rettungen von rund 100 Bootsflüchtlingen am Wochenende, entdeckte die Besatzung heute in den frühen Morgenstunden erneut ein überfülltes und seeuntaugliches Schlauchboot! Bei rauem Wetter wurden unsere beiden Schnellboote ausgesetzt und das Rettungsteam verteilte Rettungswesten an die Menschen, bevor sie an Bord unseres Schiffs gebracht wurden. Viele der Geretteten sind in schlechtem gesundheitlichen Zustand – aber in Sicherheit. Sie werden jetzt beruhigt, versorgt und von Ärzte ohne Grenzen medizinisch betreut.

Dass unser Schiff in weniger als 48 Stunden so viele Menschen retten konnte zeigt, wie viele Schlauchboote in diesem Sommer wieder die lebensgefährliche Überfahrt wagen.

Wir freuen uns mit der Besatzung, dass alle Rettungen gut und ohne Zwischenfälle verliefen. Aber wir denken auch an alle Boote, die gerade auf dem Weg sind und nicht das Glück haben, den Weg der Sea-Watch 4 zu kreuzen, gesichtet und gerettet zu werden.

Nun wird es bald darum gehen, dass unser Schiff einen sicheren Hafen zugewiesen bekommt. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm sagte heute Morgen gegenüber dem Sender Bayern2, dass er von der Bundesregierung erwarte, "dass sie sich dafür einsetzt, dass wenn Menschen da gerettet worden sind, es nicht wieder ein wochenlanges Geschacher gibt", sondern die Geretteten schnell auf mehrere europäische Staaten verteilt werden würden. Wir hoffen das auch sehr!

Wenn ihr wissen möchtet, wo genau sich unser Schiff befindet: Unter www.vesselfinder.com oder www.marinetraffic.com/ wird Euch die aktuelle Position angezeigt, wenn ihr den Schiffsnamen „SEA-WATCH 4“ eingebt. Diese Lokalisierung ist möglich, weil das Schiff gemäß den gesetzlichen Vorschriften einen sogenannten AIS-Transponder (Automatic Identification System) besitzt, um Kollisionen mit anderen Schiffen zu verhindern.

Folgt United4rescue bei Twitter, Facebook und Instagram um die aktuellsten Informationen von unserem Bündnisschiff zu bekommen und auch zu verbreiten! Bitte begleitet die Situation weiter mit Euren Gebeten und Eurem Handeln.

Mit europäischen Grüßen

Sven Giegold & Ansgar Gilster

________________________________________________________________________

16.8.2020

Hallo Ulrich,

 

nach über 5 Monaten in der Werft in Burriana (Spanien) ist die Sea-Watch 4 heute endlich in ihren ersten Einsatz Richtung zentrales Mittelmeer gestartet. Die europaweiten Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie hatten die Abfahrt leider stark hinausgezögert. Trotzdem konnte unsere Werft-Crew das ehemalige Forschungsschiff Poseidon zum Rettungsschiff Sea-Watch 4 umbauen. Auf der mehrtägigen Überfahrt ins Suchgebiet vor der libyschen Küste spielt unsere Crew verschiedenste Einsatz-Szenarien durch und macht sich weiter mit den umfassenden Corona-Präventionsmaßnahmen an Bord vertraut. Die starke Allianz mit dem Bündnis United4Rescue gibt uns dabei Rückenwind.

Foto: Chris Grodotzki/Sea-Watch.org
Das Bündnis ermöglichte Anfang des Jahres den Kauf des Schiffes durch tausende gesammelte Spenden, die operationelle Verantwortung des Einsatzes trägt Sea-Watch. Wir freuen uns, dass mit Ärzte ohne Grenzen, die vorerst die medizinische Betreuung unserer Gäste übernehmen werden, ein weiterer Partner mit uns gemeinsam der Politik des Sterbenlassens an Europas südlicher Außengrenze entgegentritt. Dass dies gerade wieder bitter nötig ist, haben die letzten Wochen traurig gezeigt.

 

Fotos: Chris Grodotzki/Sea-Watch.org

Seit 6 Wochen ist kein ziviles Rettungsschiff mehr in der Such- und Rettungszone aktiv. In dieser Zeit wagten laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mehr als 3.500 Menschen die Flucht über das Mittelmeer. 25 Boote mit über 1.500 Menschen in Seenot wurden von unserem Flugzeug-Team gesichtet. Knapp 1.200 Menschen wurden zurück nach Libyen geschleppt. Mindestens 44 Menschen starben, 3 Menschen wurden Ende Juli von der sogenannten Libyschen Küstenwache erschossen – und das sind nur die Toten, über die wir Gewissheit haben.

Solange die EU Menschen an ihren Grenzen zum Tod durch Ertrinken verurteilt, kämpfen wir weiter. Für Bewegungsfreiheit und das Recht auf Leben!


Herzlichen Dank für Deine Solidarität im Namen der gesamten Sea-Watch-Crew auf dem Wasser, in der Luft und an Land!



18.6.2020

Hallo  

es herrscht Wahnsinn auf dem Mittelmeer. Gestern brachte unsere Crew 165 Menschen von 2 Booten sicher auf die Sea-Watch 3. Unsere Crew hatte sie entdeckt und so schnell wie möglich die Rettungen mit unseren Schnellbooten eingeleitet. Bis in die frühen Morgenstunden und auch weiterhin suchen wir nach einem weiteren Seenotfall.

(Fotos: Laila Sieber - Sea-Watch.org)

Die letzten eineinhalb Wochen auf dem Mittelmeer waren geprägt von völkerrechtswidrigen Abfangaktionen durch die sogenannte Libysche Küstenwache, außerdem von zwei Bootskatastrophen, bei denen fast 70 Menschen ums Leben kamen. Daher sind wir heute erleichtert, diesmal einen Unterschied gemacht zu haben. An Bord der Sea-Watch 3 wurden unsere Gäste sofort medizinisch behandelt. Viele von ihnen trugen schwere chemische Verbrennungen durch das Salzwasser-Treibstoffgemisch in ihren Booten davon. Jetzt können sie sich endlich ein wenig von den Strapazen ausruhen, ohne um ihr Leben zu fürchten. Aber was unsere Gäste jetzt vor allem brauchen ist die umgehende Zuweisung eines sicheren Hafens!

(Fotos: Laila Sieber - Sea-Watch.org)

Auch die Crew unseres Suchflugzeugs Moonbird flog gestern gleich zwei Einsätze hintereinander, um nach Booten in Seenot zu suchen. Dabei mussten sie hilflos mit ansehen, wie die EU-finanzierte sogenannte Libysche Küstenwache vor ihren Augen ein Boot mit knapp 70 Personen völkerrechtswidrig in das Bürgerkriegsland zurück schleppte. Das Ganze wurde koordiniert von einem Flugzeug der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX. Laut UNHCR wurden gestern über 300 Menschen illegal zurück nach Libyen gebracht. Von den zahlreichen Booten, die in den letzten Tagen die Überfahrt wagten, wurden zwei gestern von der Sea-Watch 3 gefunden und die Personen geborgen, die Passagiere eines dritten Bootes erreichten die Insel Lampedusa aus eigener Kraft. Gleich heute Morgen flog unsere Moonbird erneut das Suchgebiet ab, um nach einem von vier Booten, die die Crew gestern gesichtet hatte, zu suchen, das seitdem aber nicht mehr gesehen wurde.

Solange Menschen über das Meer fliehen müssen und von Europa wissentlich sterben gelassen werden, werden wir nach Menschen in Seenot suchen, um zu retten, wo die europäischen Staaten wegschauen oder sogar aktiv Völkerrecht brechen.
Wenn Du unseren Einsatz direkt unterstützen möchtest, spende hier!

Aktuell befinden sich mit der Mare Jonio von Mediterranea und unserer Sea-Watch 3 genau zwei Schiffe auf dem Mittelmeer, bei denen wir uns darauf verlassen können, dass sie gerettete Menschen auch in Sicherheit bringen. Wir sind seit über acht Wochen die ersten Rettungsschiffe, die an der tödlichsten Grenze der Welt patrouillieren. In diesen acht Wochen sind über 35 Boote auf dem Weg nach Europa gemeldet worden, von denen viele durch die sogenannte Libysche Küstenwache abgefangen und zurück in das vom Krieg zerrüttete Land verschleppt wurden. 

Die letzten Tage zeigen uns erneut: Zwei Rettungsschiffe reichen nicht aus. Wir können nicht das gesamte Mittelmeer abdecken. Während Menschen auf der Suche nach Sicherheit ihr Leben riskieren, werden zivile Rettungsschiffe in italienischen Häfen festgehalten, die so dringend gebraucht werden. Wir fordern deshalb, dass die Alan Kurdi von Sea-Eye, die Aita Mari von SMH/Maydayterraneo und auch die Iuventa von Jugend Rettet endlich wieder freigelassen werden. 

Trotz erschwerter Bedingungen durch die Corona-Pandemie werden wir auch weiter Rettungseinsätze auf dem Mittelmeer fahren, denn die südliche Außengrenze der EU bleibt vermutlich auch 2020 die tödlichste Grenze der Welt. 

Philipp Hahn

(Einsatzleiter auf der Sea-Watch 3)


24.5.2020

Hallo,

 


wir haben Geburtstag! Vor 5 Jahren gründete sich der Verein Sea-Watch. So alt wollten wir eigentlich nie werden. Und obwohl behauptet wird, mit dem Alter kommt die Weisheit, will es uns bis heute noch immer nicht in den Kopf hinein, wie man Menschen an der europäischen Grenze ertrinken lassen kann - oder an irgendeiner Grenze! 

Seit unserer Gründung mit einem Fischkutter bis heute zu den sehr gut ausgestatteten Sea-Watch 3 und Sea-Watch 4 haben wir extremes Kräftemessen auf allen Ebenen hinter uns gebracht - operationell, politisch, aber auch rechtlich. Allein während der letzten 30 Missionen in den letzten 2 Jahren mussten wir 4 Standoffs und mehrere Festsetzungen von Schiff und Flugzeug ausfechten, ganz zu schweigen von den Ermittlungen gegen unsere Kapitän*innen.

Unser Kapitän Arturo - die Ermittlungen gegen ihn laufen noch immer (Foto: Nick Jaussi - Sea-Watch.org)

Vor genau einem Jahr nahmen die italienischen Behörden die Ermittlungen auf gegen unseren Kapitän Arturo wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung. Dieser war in italienische Gewässer eingefahren, nachdem die Geretteten an Bord mit Selbstmord gedroht hatten, da nach Tagen des Wartens keine Besserung der Situation in Sicht war.

Foto: Nick Jaussi - Sea-Watch.org

Am Abend zuvor hatte die italienische Küstenwache die Anlandung von 18 Frauen, Kindern und Männern angeordnet und durchgeführt. Die nicht zu den Familien gehörenden Menschen waren an Bord zurückgeblieben, unter ihnen acht unbegleitete Minderjährige, eine schwangere Frau und eine Person mit Behinderung. Nach dieser inakzeptablen, diskriminierenden Trennung wurde die medizinische und psychologische Situation an Bord des Schiffes untragbar und die Besatzung konnte die Sicherheit der geretteten Personen nicht mehr gewährleisten.

Die italienischen Behörden setzten die Sea-Watch 3 daraufhin für mehrere Wochen fest. Innenminister Salvini verleumdete uns als Schleuser. Ein Jahr später ist er nicht mehr im Amt, wir sind immer noch da. Wir lassen uns nicht aufhalten. Wir finden neue Wege. Das haben wir mit den Schiffen, mit den Flugzeugen und mit unserem vielfältigen Protest an Land immer wieder bewiesen.

Offene Grenzen und sichere Fluchtwege für alle bleiben unser Ziel, dem wir mit unserer Arbeit jeden Tag ein kleines Stück näher kommen wollen.


Deine Unterstüzung als Spender*innen oder Fördermitgliedern macht Sea-Watch erst möglich. Deine Unterstützung rettet Leben!

Herzlichen Dank und beste Grüße im Namen all unserer Aktivist*innen,

Dein Johannes Bayer
Vorstandsmitglied Sea-Watch e.V.

Deine Spende rettet Leben!

Ertrunken - eine Meile vor Lampedusa

Während wir alles daran setzen, nächsten Monat rauszufahren, hat sich unsere Vermutung bestätigt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die mit Covid19 begründete Diskriminierung von Menschen auf der Flucht sein nächstes Todesopfer fordert. Statt gerettete Menschen an Land zu bringen verstauen Malta und Italien sie auf Fähren vor der Küste, vorgeblich aus Quarantänegründen. So wurde auch die Fähre Moby Zaza zum Quarantäneschiff umdeklariert, wo 121 Menschen ausharren mussten - jetzt sind es nur noch 120. Denn einer sprang aus Verzweiflung über die Situation über Bord und ertrank, eine Meile vor der italienischen Küste. Covid 19 ist eine Herausforderung, aber entschuldigt keine Zweiklassengesellschaft und Freiheitsberaubung auf See. Es ist das Recht dieser Menschen, an Land und in Sicherheit zu sein.

Zurück in den Einsatz!


Es wird Zeit, dass wir wieder in den Einsatz kommen. Wir haben lange getüftelt, um unsere Crew nicht zu gefährden und sind nun mit den Covid Vorkehrungen soweit, dass wir nächste Woche endlich wieder mit den Arbeiten an der Sea-Watch 4 weitermachen können!
Foto: Jonathan Weinspach - Sea-Watch.org

Das bedeutet für unsere Crew zwei Wochen Quarantäne vor und nach dem Schiffsaufenthalt und aufwendige, zeitintensive Arbeitsprozesse. Es war nicht einfach, Freiwillige zu finden, die eine solche lange Zeitspanne mitmachen können, doch zum Glück haben wir einen riesigen Pool aus den tollsten Freiwilligen! Und denen geht es genauso wie uns und sind daher doppelt motiviert: Wir wollen - und müssen - möglichst schnell wieder in das Einsatzgebiet!


Montag, 03.02.2020

Kirchliches Bündnis kauft Schiff zur Seenotrettung

Das kirchliche Bündnis "United4Rescue" für eine eigene Rettungsmission hat ein Schiff erworben. Ostern könnte es ins Mittelmeer auslaufen. Bis dahin stehen Umbauarbeiten an, für die der Verein weiter Spenden sammeln will.

Das kirchliche Bündnis „United4Rescue“ ist bei seinen Plänen für eine eigene Rettungsmission im Mittelmeer einen Schritt weiter. Das Bündnis hat das Kieler Forschungsschiff „Poseidon“ erworben, wie es am Freitag selbst mitteilte. Am Donnerstag endete das Bieterverfahren für das Schiff, für das der Verein „Gemeinsam Retten“ am Ende den Zuschlag bekam. „United4Rescue“ hatte seit Dezember Spenden für den Erwerb eines Schiffes gesammelt, das sich für Rettungseinsätze auf dem Mittelmeer eignet.Nach Angaben von Vereinssprecher Joachim Lenz hat das Schiff 1,5 Millionen Euro gekostet. 1,1 Millionen Euro hat demzufolge das Bündnis beigesteuert. Den Rest der Summe übernehme die Organisation Sea-Watch, die im Auftrag das Bündnisses das Schiff betreiben soll.

Bevor das frühere Forschungsschiff für seinen künftigen Zweck in See stechen kann, sind noch Umbauten notwendig. So müssen unter anderem eine Krankenstation eingerichtet und Beiboote angeschafft werden. Lenz zufolge wollen sich die Verantwortlichen zunächst einen Überblick über die notwendigen Arbeiten verschaffen. Er hoffe, dass das Schiff etwa von Ostern an für Rettungseinsätze zur Verfügung steht.

Die „Poseidon“ war bislang für das Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung im Einsatz. Für den Umbau braucht das Bündnis weitere Spenden, wie aus der Mitteilung von Freitag hervorgeht.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, der sich persönlich stets hinter die Initiative gestellt hatte, dankte den Spendern. „Ich freue mich, dass das Engagement so vieler Menschen jetzt auch zum Erfolg geführt hat“, sagte er dem „Evangelischen Pressedienst“.

„Seenotrettung eigentlich staatliche Pflichtaufgabe“

 

„Seenotrettung ist eigentlich eine staatliche Pflichtaufgabe, die im Mittelmeer schon seit Jahren nicht wirksam wahrgenommen wird“, sagte der rheinische Präses Manfred Rekowski. Deshalb sei die Initiative anderer notwendig, ergänzte Rekowski, der auch Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Der Europa-Abgeordnete Sven Giegold (Grüne), der zu den Mitinitiatoren des Bündnisses gehört, erklärte: „Dieses Schiff wird Leben retten und kann helfen, die europäische Politik zu ändern.“

©migazin.de

 

Forschungsschiff "Poseidon"

 

 

 

 

 

 

 

 

________________________________________________________

Hallo Ulrich,

endlich ist es soweit: nach sechsmonatiger Blockade durch italienische Behörden ist die Sea-Watch 3 heute morgen zu einer neuen Rettungsmission ausgelaufen. Nachdem wir kurz vor Weihnachten die Berufung gegen die unrechtmäßige Beschlagnahmung vor dem Zivilgericht gewonnen haben, nutzten wir die Feiertage, um den aktuellen Rettungseinsatz vorzubereiten. 

Aggiornamento: prima missione di salvataggio dopo il sequestro
Update: Sea-Watch 3 starts rescue mission
 Die Sea-Watch 3 auf dem Weg zurück ins Einsatzgebiet. 
Foto: Sea-Watch e.V.

 

Die Sea-Watch 3 ist nun auf dem Weg in die Such- und Rettungszone vor Libyen. Während sich die politische Situation in Libyen weiter verschärft, ist auch bei der humanitären Katastrophe im Mittelmeer kein Ende in Sicht. Hunderte Menschen sind ertrunken, während die Sea-Watch 3 unrechtmäßig festgehalten wurde. Endlich sind wir wieder auf dem Weg ins Einsatzgebiet.

Das Einsatzgebiet der Sea-Watch 3: Die Such- und Rettungszone nördlich der libyschen Küste.
Grafik: Sea-Watch.e.V.

Vor unserer Einsatzcrew liegen nun über 30 Stunden Anfahrt und zum Jahreswechsel eine Schlechtwetterphase, die vermutlich bis zum Wochenende anhalten wird. Angekommen vor Ort wird unser Aufklärungsflugzeug Moonbird bei der Suche nach und der Rettung von Menschen in Seenot unterstützen und Menschenrechtsverletzungen dokumentieren. 

Wir werden niemals aufhören Menschen aus Seenot zu retten, egal wie viele Steine uns in den Weg gelegt werden! Deine Unterstützung ist dabei unverzichtbar. Nur mit Deiner Einzelspende oder Deinem Beitrag als Fördermitglied bleibt Sea-Watch auf Kurs. Du weißt ja: Ein Menschenleben ist unbezahlbar, Seenotrettung ist es nicht!

Liebe Grüße von der Sea-Watch 3

Johannes Bayer

Einsatzleiter & Vorsitzender Sea-Watch e.V. 
Jetzt mitretten - spende für Sea-Watch!

Solidarität mit der EKD

Wir solidarisieren uns mit der Evangelischen Kirche Deutschlands, die wegen ihres Engagements für Geflüchtete angefeindet wird und an ihrem Verwaltungssitz in Hannover heute einen Drohbrief mit „weißem Pulver“ erhalten hat.

Die Entscheidung der EKD, ein Schiff zur Seenotrettung ins zentrale Mittelmeer zu schicken, ist genau das richtige Zeichen. Als starke Zivilgesellschaft lassen wir uns nicht unterkriegen und nicht einschüchtern.

Der EKD und allen Menschen, die wegen ihres Engagements von rechtsextremer Seite angefeindet und bedroht werden, sagen wir klar: Wir stehen an Eurer Seite!

Flüchtlingsrat Niedersachsen

Die evangelische Kirche wird ein Schiff zur Seenotrettung von

                                               Flüchtlingen im Mittelmeer finanzieren!                                        12.9.2019

 

Bitte klicken Sie auf das folgende Bild

23.9.2019 ------ Malta-Einigung ist keine Lösung!

Heute einigten sich die Innenminister von Malta, Deutschland, Finnland, Frankreich und Italien bei einem EU-Treffen in Malta auf eine Übergangslösung zur Aufnahme und Verteilung von auf dem Mittelmeer geretteten Menschen. Endlich soll es einen freiwilligen Notfallmechanismus geben. Die Vorstellung der genauen Ergebnisse steht noch aus. Für die SEEBRÜCKE ist jedoch jetzt schon klar:
Dies ist ein zu kleiner Schritt in die richtige Richtung. Wir werden solange weiter auf die Straßen gehen, bis es eine grundsätzliche Lösung gibt und kein Mensch mehr im Mittelmeer stirbt. Es bleibt viel zu tun: Europas Staaten müssen mit staatlicher Seenotrettung Verantwortung übernehmen, die lebensgefährlichen Rückführungen nach Libyen sofort stoppen und aufhören, die sogenannte libysche Küstenwache zu unterstützen und auszubilden. Für all diese Aufgaben haben die Innenminister heute keine Lösung gefunden.

Spende jetzt!
 

Juhu, die Kirche Schickt ein Schiff!
 

Vielen Dank an alle, die sich an unserer Kampagne “EKD schick ein Schiff!” beteiligt haben! Denn in diesem Newsletter sagen wir: “Juhu, die Kirche schickt ein ein Schiff!”

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat tatsächlich beschlossen, in einem breiten gesellschaftlichen Bündnis ein zusätzliches Schiff zur Rettung von Ertrinkenden ins Mittelmeer zu senden. Hierfür wird nun ein Verein gegründet.

Diese tolle Entscheidung verkündete Landesbischof Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD am 12. September bei einer gemeinsamen Bilanz-Pressekonferenz mit Vertreter*innen von Rettungs- und Hilfsorganisationen, Kommunen sowie der SEEBRÜCKE. Die Bilanz fiel von allen Seiten eindeutig aus: Die Politik versagt mit Hinblick auf die aktuelle Situation in Libyen und auf dem Mittelmeer. Auch nach der heute in Malta gefundenen Einigung bleiben die von Kommunen und Zivilgesellschaft formulierten Forderungen gültig! Über 90 Kommunen haben sich zu Sicheren Häfen erklärt. Für sie muss eine Möglichkeit geschaffen werden, freiwillig zusätzliche Schutzsuchende aufzunehmen.

Alle Menschen müssen das Recht haben, sich frei und sicher zu bewegen! Lasst uns gemeinsam weiter für dieses Recht einstehen!

 

_________________________________________________________________________________

Die evangelische Kirche wird ein Schiff zur Seenotrettung von

                                               Flüchtlingen im Mittelmeer finanzieren!                                        12.9.2019

 

Bitte klicken Sie auf das folgende Bild

 

 

 ________________________________________________________

 

 

Evangelische Kirche schickt ein Schiff! 


Auf einer Veranstaltung des evangelischen Kirchentags mit dem Namen “Gemeinsam für offene Häfen in Europa” verkündete der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, dass die Evangelische Kirche ein Rettungsschiff ins zentrale Mittelmeer schicken wird. Das finden wir großartig! Ebenfalls erinnerte die SEEBRÜCKE (Klick mich) mit der Aktion “Jeder Mensch hat einen Namen” auf dem Evangelischen Kirchentag an alle Menschen, die in den letzten Jahren bei der Flucht über das zentrale Mittelmeer ihr Leben verloren haben. Riesengroße Banner mit den Namen der Verstorbenen wurden am Kirchturm der St. Reinoldi Kirche Dortmund aufgehängt, um ein Zeichen der Solidarität mit den Verstorbenen zu setzen. Wir machen weiter, bis das Sterben endlich aufhört!

 

🚢12.7.2019

___________________________________________________________________

Palermo-Appell für Seenotrettung und solidarische Aufnahme

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, hat auf Sizilien die Crew der Sea-Watch 3 besucht und den Seenotretter_innen für ihre Arbeit gedankt. Gemeinsam mit dem Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, fordert Bedford-Strohm im Palermo-Appell eine staatliche Seenotrettung, einen europäischen Verteilungsmechanismus und das Ende der Kriminalisierung der Retter_innen.

Auszug aus dem Appell:

Gemeinsam mit vielen Verantwortlichen aus Kommunen, Kirchen und der Zivilgesellschaft meinen wir:

1. 2019 darf nicht zu einem verlorenen Jahr für die Seenotrettung im Mittelmeer werden.
2. Die Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung muss ein Ende haben. Jetzt!
3. Seenotrettung muss auch eine staatliche Aufgabe bleiben. Was ist aus der europäischen Seenotrettung geworden? Deutschland sollte hier ein Zeichen setzen und Schiffe entsenden!
4. Wir brauchen noch in diesem Sommer eine politische Notlösung, einen vorübergehenden Verteilmechanismus für Bootsflüchtlinge. Viele Städte und Kommunen in Europa wollen „Sichere Häfen“ sein! Lassen wir das Realität werden!
5. Wir brauchen in der EU eine „Koalition der Willigen“, die jetzt handelt. Und eine zukunftsfähige Migrationspolitik entwickelt. Denn Menschen ertrinken lassen oder in die Lager Libyens zurückschicken, kann keine Option für Europa sein.

Palermo-Appell vom 3. Juni 2019

Diesen Appell unterstützen mit einem Video die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Ruprecht Polenz (CDU), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Gesine Schwan (SPD), Aktivist_innen von SeaWatch und Seebrücke sowie Geistliche aus Deutschland und Schweden.

 

Hier mehr zum Engagement der Kirche für Seawatch

... klick mich

____________________________________________________________________________________________________

Gemeinsame Pressemitteilung
05.06.2019

Was unternimmt Kirche gegen das Sterben auf dem Mittelmeer?

Sea-Eye und Sea-Watch danken den Kirchen mit gemeinsamer Initiative
Die Crew der "Alan Kurdi" rettete im April den nigerianischen Jungen Emanuel (4). Ohne die Spenden der Kirchen hätte diese Mission nicht stattfinden können Emanuel wäre verschwunden. (Foto: Fabian Heinz/sea-eye.org) >> Mehr Fotos und Videos <<

Was tun die Kirchen gegen das Sterben auf dem Mittelmeer?

Sea-Eye und Sea-Watch danken den Kirchen mit gemeinsamer Initiative
Regensburg, Berlin, Valletta, Rom
Der Ratsvorsitzende der EKD Heinrich Bedford-Strohm, besucht das Rettungsschiff "Sea-Watch 3" in Italien und fordert erneut eine politische Notlösung für die flüchtenden Menschen, die u.a. von Sea-Watch und Sea-Eye auf dem offenen Meer gerettet werden. Immer wieder bekennen sich die christlichen Kirchen Deutschlands, klar und unmissverständlich, zu den zivilen Seenotrettern. Sie fordern laut das Ende der Kriminalisierung der Hilfsorganisationen  und spenden u.a. auch für die Suchflugzeuge und Rettungsschiffe von Sea-Eye und Sea-Watch. 

So unterstützte das Mennonitische Hilfswerk die Organisation Sea-Eye e.V. bereits mit mehr als 50.000€, innerhalb der vergangenen 2 Jahre. Das Suchflugzeug Moonbird wurde von der EKD mit 100.000€ gefördert. „Mehr als 1000 Menschen wären mit Sicherheit tot, hätte unser Flugzeug sie nicht in letzter Sekunde entdeckt. Dieser Einsatz wäre ohne die Unterstützung der Kirche nicht möglich gewesen, dafür sind wir dankbar!“ sagt Johannes Bayer, Vorsitzender von Sea-Watch e.V. Die Diözese München-Freising unterstützte die Rettungseinsätze der "Alan Kurdi" von Sea-Eye im Januar mit 50.000€. „Ein christliches Bekenntnis, das der Katastrophe, die tagtäglich auf dem Mittelmeer geschieht, tatenlos zuschaut, ist nicht glaubwürdig. So lange es Menschen gibt, die sich in ihrer Not und Verzweiflung auf den Weg über das Mittelmeer machen, ist unser Auftrag Barmherzigkeit.“sagte Kardinal Reinhard Marx im Januar 2019 zur Spende an Sea-Eye e.V.

Insgesamt erhielt Sea-Eye im laufenden Jahr bereits 190.000€ aus dem Raum der deutschen Kirchen, als Reaktion auf die unterschiedlichen Hilfegesuche der Regensburger Seenotretter. „Ohne die verschiedenen Kirchen, wären in diesem Jahr keine Rettungseinsätze möglich gewesen. Würden europäische Regierungen die Menschenrechte genauso ernst nehmen, wie Kirche die Botschaft der Bibel, wären wir vermutlich überflüssig.“ Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V. 

Die Kirchen sind ein wichtiger Bündnispartner für beide Hilfsorganisationen geworden. Die Organisationen haben deshalb die Initiative "Kirche rettet" ins Leben gerufen, um dieses kirchliche Engagement sichtbar zu machen, um danke zu sagen und fortlaufend über kirchliches Engagement zu berichten. Die Spenden aus dieser gemeinsamen Kampagne kommen vier Hilfsorganisationen zu Gute. Dazu gehören neben den Initiatoren auch dasAlarmPhone und Solidarity at Sea.
Kirche-rettet.de

Deutsche Helfer im Mittelmeer"Ohne die Kirchen könnten wir nicht mehr retten"

Hilfsbedürftige Menschen an Bord, kein Hafen nimmt sie an: In dieser Situation befindet sich die deutsche Crew der "Alan Kurdi", dem derzeit einzigen Seenotrettungsschiff auf dem Mittelmeer. Deren Sprecher schildert, warum der Helferjob immer schwieriger wird.

©

Ein Interview von 

Gerettete Migranten an Bord der "Alan Kurdi" (03.04.2019)

Gerettete Migranten an Bord der "Alan Kurdi" (03.04.2019)

Als einziges privates Schiff hilft die deutsche "Alan Kurdi" derzeit schiffbrüchigen Flüchtlingen. Vor der libyschen Küste hat die Crew 64 Menschen retten können, darf aber keinen italienischen oder maltesischen Hafen anlaufen. Vor allem Italiens Innenminister Matteo Salvini macht Stimmung gegen die deutschen Seenotretter. Sein Kommentar: "Soll sie doch nach Hamburg fahren."

Im Interview spricht Sea-Eye-Vorstand Gorden Isler über die Situation an Bord, die Kooperation mit der libyschen Küstenwache - und er erklärt, warum seine Organisation plötzlich Probleme hat, die Missionen zu finanzieren.

Zur Person
  • Gorden Isler, Jahrgang 1982, ist Sprecher von Sea-Eye. Die Organisation ist seit April 2016 vor der libyschen Küste im Rettungseinsatz. Isler fährt hin und wieder selbst auf Missionen mit.

SPIEGEL ONLINE: Herr Isler, wie ist die Situation an Bord?

Gorden Isler: Schlecht. Die Menschen frieren, ihre Kleidung ist durchnässt. Viele sind seekrank. In den vergangenen Tagen hatten wir zwei medizinische Notfälle: Eine junge Frau aus Nigeria litt unter Bewusstseinsstörungen, ihr Kreislauf kollabierte. Eine andere schwangere Nigerianerin hatte einen epileptischen Anfall. Die maltesische Armee musste beide Frauen evakuieren.

SPIEGEL ONLINE: Unter den Geretteten befinden sich zwei Familien mit kleinen Kindern. Italien hatte angeboten, die Kinder und Mütter in Italien an Land zu lassen. Die Männer hätten aber an Bord bleiben müssen. Wie haben Sie reagiert?

Isler: Es gibt keinen einzigen plausiblen Grund, die Familien zu trennen. Wenn die Frauen und Männer in unterschiedlichen Ländern Asyl beantragt hätten, wären die Familien vermutlich sogar für längere Zeit getrennt worden. Wir haben die Familien schließlich selbst gefragt. Und die haben sehr schnell entschieden, dass sie zusammen an Bord bleiben wollen. Es war eine schwierige Situation.

SPIEGEL ONLINE: Ende März hat die Europäische Union den Marineeinsatz vor der libyschen Küste beendet. Was bedeutet das für Sea-Eye?

Isler: Es ist niemand mehr da, der uns helfen könnte. Vor allem, wenn wir mal ein großes Boot mit vielen Menschen retten, wird es eng. Ob Flüchtlinge, die auf die Boote der Schlepper gehen, leben oder sterben, ist nun endgültig eine Frage des Glücks. Während der aktuellen Mission haben wir Notrufe von einem Boot gehört, das nie gefunden wurde. Und die Menschen werden weiter aus den libyschen Folterlagern fliehen - auch wenn die EU-Schiffe nicht mehr da sind. Nun wird in der Nähe von Tripolis auch noch gekämpft.

SPIEGEL ONLINE: Warum nicht?

Isler: Wir wurden komplett von der Kommunikation zwischen den Rettungsleitstellen abgeschnitten. Selbst die Italiener und Malteser informieren uns nicht mehr über Seenotfälle. Über Funk haben wir von einem Notfall gehört und unsere Hilfe angeboten - doch niemand hat uns gesagt, wo die Schiffbrüchigen sind.

SPIEGEL ONLINE: Ein Versehen oder Absicht?

Isler: Es war eine bewusste Entscheidung, diese Informationen nicht zu teilen. In den vergangenen Monaten haben Hafenbehörden die Schiffe privater Seenotretter nicht an Land gelassen. Das ist nun der nächste Schritt, um uns weiter zu isolieren und Europa abzuschotten.

SPIEGEL ONLINE: Die libysche Rettungsleitstelle in Tripolis koordiniert mittlerweile offiziell die Rettungseinsätze. Wie läuft die Zusammenarbeit?

Isler: Es fühlt sich an, als würde die libysche Küstenwache nicht existieren. Wir haben jeden Morgen eine E-Mail geschrieben mit unserer Position und der geplanten Route. Darauf gab es keine Antwort. Auch im Notfall, als wir Menschen gerettet hatten, und um Anweisungen baten - keine Antwort. Wir haben acht Telefonnummern von der libyschen Küstenwache. Aber in den vergangenen Tagen ist nie jemand ans Telefon gegangen.

SPIEGEL ONLINE: Für die einen sind Sie die Schlepper, für die anderen die humanitären Helfer. Wie hat sich die Debatte der vergangenen Monate auf die Arbeit von Sea-Eye ausgewirkt?

Isler: Wir bekommen viele hasserfüllte E-Mails. Und es spenden weniger Menschen.

SPIEGEL ONLINE: Wie viel weniger wird gespendet?

Isler: Die Weihnachtszeit war noch ordentlich. Danach war der Rückgang massiv. Ich würde schätzen, dass die Anzahl unserer Spender um etwa 80 Prozent zurückgegangen ist.

SPIEGEL ONLINE: Worauf führen Sie das zurück?

Isler: Es gibt ein Narrativ, es ist Teil eines vergifteten Diskurses: Schiffe werden blockiert, gegen Flüchtlingsretter wird ermittelt, wir dürfen nicht in die Häfen. Da bleibt etwas Negatives hängen, als würden wir Illegales tun.

SPIEGEL ONLINE: Sie machen also auch Äußerungen und Aktionen wie die von Salvini für die wenigen Spenden verantwortlich?

Isler: Natürlich. Wenn wir ständig mit Dreck beschmissen werden, muss man sich nicht wundern, wenn etwas hängen bleibt. Warum sollten normale Bürger davon ausgehen, dass ein Minister lügt? Aber es ist auch ein Problem, dass der deutsche Außenminister oder die Kanzlerin sich nicht einmischen und uns verteidigen. Das würde helfen.

SPIEGEL ONLINE: Melden sich auch weniger Freiwillige für die Missionen?

Isler: Leider ja. Das liegt aber größtenteils daran, dass die Fahrten so unberechenbar geworden sind. Wenn wir losfahren, wissen wir inzwischen nicht mehr, welcher Hafen unser Schiff einlaufen lässt. Wir wissen nicht mal, wann wir zurückkehren. Ich spreche mit vielen arbeitenden Menschen, die in ihrem Urlaub mit uns losfahren wollen, aber die Mission nicht vernünftig planen können. Solche Probleme kannten wir bisher nicht. Bisher haben wir nach langem Suchen immer noch genug Leute gefunden. Aber sobald das nicht mehr der Fall ist, müssen wir eben seltener auslaufen.

SPIEGEL ONLINE: Haben andere private Seenotrettungsorganisationen ähnliche Probleme?

Isler: Wenn wir nicht genug Freiwillige haben, fragen wir bei den anderen privaten Seenotrettern an. Auch Organisationen wie Sea-Watch berichten, dass sie gerade weniger Freiwillige finden.

SPIEGEL ONLINE: Kann Sea-Eye die gesunkene Spendenbereitschaft ausgleichen oder stehen die Rettungsmissionen vor dem Aus?

Isler: Wir kennen schlechte Phasen. Als Thomas de Maizière uns einst vorgeworfen hat, mit Schleppern zu kooperieren, haben wir wochenlang keine Spenden bekommen. Momentan können wir die fehlenden Spenden durch einige wenige Großspender sehr gut ausgleichen. Wenn Kardinal Marx uns allerdings nicht kürzlich 50.000 Euro gespendet hätte, hätten wir nicht auslaufen können. Ohne die Kirchen könnten wir nicht mehr retten.

Hier vollständig auf Spiegel-Online nachlesen: Klick mich

 

___________________________________________