Das kann man fast nicht glauben - oder etwa doch?


Konto für jedermannBanken kassieren bei den Armen ab

Flüchtlinge und Obdachlose haben das Recht auf sogenannte Basiskonten - doch ausgerechnet für diese kassieren manche Banken hohe Gebühren. Die Verbraucherzentralen haben nun sechs Institute abgemahnt.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) hat fünf Banken und eine Sparkasse abgemahnt. Der Grund dafür sind auffällig hohe Gebühren bei sogenannten Basiskonten, die die Institute einem jeden Verbraucher zur Verfügung stellen müssen - auch ärmeren Kunden wie Obdachlosen oder Flüchtlingen.

"Basiskonten sollten vor allem Verbrauchern, die wenig Geld haben, den Zugang zu bargeldlosem Zahlungsverkehr ermöglichen", sagt Christina Buchmüller, Finanzexpertin bei der VZBV. "Dieser Zweck wird unterlaufen, wenn Verbraucher gerade für Basiskonten mehr zahlen müssen als andere Kunden für vergleichbare Konten."

Die Abmahnungen richten sich an die Deutsche Bank, die Deutsche Postbank, die Targobank, die Sparkasse Holstein, die Volksbank Karlsruhe und die BBBank. Einige dieser Geldhäuser verlangen demnach für ihr Basiskonto weit höhere Gebühren als für andere vergleichbare Kontomodelle. Bei anderen Banken müssten die Kunden etwa für Überweisungen oder Kontoauszüge zusätzliche Gebühren zahlen.

Die Verbraucherschützer berufen sich auf das sogenannte Zahlungskontengesetz. Durch dieses hat jeder Verbraucher seit dem 19. Juni 2016 einen gesetzlichen Anspruch auf ein Girokonto auf Guthabenbasis, um Zahlungsgeschäfte abwickeln zu können.

Das sogenannte Basiskonto unterliegt speziellen Vorschriften. Insbesondere müssen die Entgelte angemessen sein. Für die Beurteilung der Angemessenheit sind laut Gesetz insbesondere die marktüblichen Entgelte sowie das Nutzerverhalten zu berücksichtigen.

Die Banken haben sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert.

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24.8.2016

Bruch des Kirchenasyls: Bischof entsetzt „Schockiert von Härte und Brutalität“

Münster - 

Mit Erschrecken haben Superintendentin Meike Friedrich und Stadtdechant Jörg Hagemann von der Auflösung eines Kirchenasyls im Kapuzinerkloster erfahren. Die Repräsentanten der evangelischen und der katholischen Kirche der Stadt Münster zeigten sich erschüttert, dass der Kreis Coesfeld einen ghanaischen Asylbewerber im Rahmen des Dublin-Verfahrens mit Polizeigewalt aus dem Kirchenasyl geholt hat. „Unfassbar, dass der Kreis Coesfeld den Ghanaer nach Ungarn zurückführt. Wir verweisen hier auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Münster, worin dieses die inhumanen Zustände für Asylbewerber in Ungarn feststellte“, betonten die beiden Theologen in einer Pressemitteilung.

Bischof Dr. Felix Genn zeigte sich „schockiert von dieser Härte und Brutalität“. „Es erschüttert mich und macht mich betroffen, dass während eines laufenden Verfahrens ohne Vorankündigung zugegriffen wird“, erklärte der Bischof. „Die Festnahme geschah ohne Not, es gab keine Fluchtgefahr, der Mann hätte sich gut weiter im Schutz der klösterlichen Mauern aufhalten können.“

Kirche und Staat haben für ein Kirchenasyl ein Vorgehen abgesprochen. Das dazugehörige Dossier, in dem die Gründe für eine Härtefallentscheidung zugunsten des Ghanaers zusammengefasst sind, sei unmittelbar vor der Übermittlung an das zuständige Bundesamt gewesen, so das Bischöfliche Generalvikariat. Es sei am Montag eingegangen und unmittelbar an das Katholische Büro in Düsseldorf weitergeleitet worden, von wo es am Dienstag an das Bundesamt gegangen wäre. Bischof Genn kündigte an, dass er sich weiter zusammen mit dem Katholischen Büro zugunsten des Flüchtlings einsetzen werde.

http://www.wn.de/Muenster/2505109-Verwaltungsgericht-setzt-Abschiebung-aus-Abgefuehrt-und-wieder-freigelassen/2505118-Bruch-des-Kirchenasyls-Bischof-entsetzt-Schockiert-von-Haerte-und-Brutalitaet

Verwaltungsgericht setzt Abschiebung aus Abgeführt - und wieder freigelassen

Münster - 

Ein 31-jähriger Flüchtling wurde im münsterischen Kapuziner-Kloster festgenommen. Nun gab das Verwaltungsgericht Münster einem Eilantrag statt: Der Mann ist wieder freigelassen worden.

Von Klaus Baumeister

Zum 1. August hätte der 31-jährige Issa A. aus Ghana eine Ausbildung in einer Metallbaufirma in Nordkirchen beginnen können. Konnte er aber nicht, weil er bereits seit Mai von Abschiebung bedroht ist und ins Kapuzinerkloster nach Münster flüchtete. Dort genoss er Kirchenasyl.

In Handschellen abgeführt

Aber nur bis Dienstag um 8 Uhr. Dann standen Polizei, Mitarbeiter des Ausländeramtes des Kreises Coesfeld, eine Richterin und ein Arzt vor der Klosterpforte. Sie nahmen Issa A. fest und brachten ihn ins Abschiebegefängnis Büren bei Paderborn, von wo er nach Ungarn ausgeflogen werden soll.

So berichtete es Dr. Julia Lis vom Netzwerk Kirchenasyl am Nachmittag bei einem Pressegespräch im Kloster. Neben ihr Bruder Markus Thüer. Er schilderte, wie Issa A. vor den Augen der Mitbrüder in Handschellen gelegt wurde, „eine sehr bedrückende Erfahrung“.

Zuständigkeit liegt bei Ungarn

Die Pressestelle des Kreises Coesfeld bestätigte die Festnahme, wies am Dienstag aber darauf hin, dass die Coesfelder Mitarbeiter nur Amtshilfe für das federführende Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geleistet hätten. Die BAMF-Pressestelle in Nürnberg wiederum erklärte auf Anfrage, dass sie zu Einzelfällen keine Auskunft gebe. Ganz allgemein erklärte sie: „Liegt die Zuständigkeit für ein Asylverfahren bei einem anderen EU-Mitgliedstaat, ordnet das Bundesamt eine Rücküberstellung an.“

Zum Hintergrund: Der Flüchtling aus Ghana kam 2015 über die sogenannte Balkanroute nach Deutschland und wurde in Ungarn registriert. Nach der BAMF-Lesart ist damit Ungarn zuständig. Zum Kirchenasyl, sprich der Inobhutnahme eines Flüchtlings durch die Kirche, sagt das BAMF, dass es dann akzeptiert werde, wenn „begründbare besondere Härten“ vorlägen.

Geflüchteter durfte das Klostergelände nicht verlassen

Genau dies sei der Fall, argumentierten Julia Lis und Dr. Michael Ramminger vom Unterstützer-Team. Der 31-Jährige habe Herzprobleme, was regelmäßige Arztbesuche erforderlich mache. Darüber hinaus sei der harte Kurs der ungarischen Regierung gegen Flüchtlinge als besondere Härte zu werten.

Da Issa A. in den vergangenen zwei Monaten das Klostergelände nicht verlassen durfte (draußen hätte man ihn sofort festnehmen dürfen), war die Anbindung an die 25 Ordensbrüder sehr eng. Die Verständigung sei einfach gewesen, so Bruder Markus, „weil er schon recht gut Deutsch sprach“.

Eilantrag: Abschiebung ausgesetzt

Im September wäre die asylrechtliche Zuständigkeit im Fall Issa A. von Ungarn auf Deutschland übergegangen, dann hätte er wegen des vorliegenden Ausbildungsplatzes eine gute Bleibeperspektive gehabt. 

Am Abend gab das Verwaltungsgericht Münster dann einem Eilantrag statt und setzte die Abschiebung nach Ungarn für zunächst 48 Stunden aus. Der 31-jährige Mann sei daraufhin wieder freigelassen worden, berichtet die Nachrichtenagentur epd. „Wir gehen davon aus, dass er am Mittwoch in einer Einrichtung des Kreises Coesfeld untergebracht wird“, so Julia Lis.

 

http://www.wn.de/Muenster/2505109-Verwaltungsgericht-setzt-Abschiebung-aus-Abgefuehrt-und-wieder-freigelassen

5.8.2016

Externe Berater sollen für die Bundesregierung herausfinden, wie Asylbewerber schneller abgeschoben werden können. Das Honorar für McKinsey ist nach SPIEGEL-Informationen stattlich.

 

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) will der Unternehmensberatung McKinsey für eine Studie zum Thema Abschiebungen 1,86 Millionen Euro bezahlen. Die Beraterfirma kann dafür insgesamt 678 Beratertage in Rechnung stellen. Umgerechnet würde McKinsey einen durchschnittlichen Tagessatz in Höhe von gut 2700 Euro erzielen. Das geht aus internen Unterlagen hervor, die dem SPIEGEL vorliegen.

 

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Kinderehen unter FlüchtlingenAschaffenburg fragt bei Bundesgerichtshof an

Sind Kinderehen aus dem Ausland vor dem deutschen Gesetz grundsätzlich anzuerkennen oder nicht? Diese Frage möchte die Stadt Aschaffenburg geklärt wissen und hat gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg Beschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt.

Stand: 15.06.2016 |Bildnachweis

Eheringe | Bild: colourbox.com

Eine minderjährige Asylbewerberin aus Syrien, die im Alter von 14 Jahren in ihrer Heimat mit ihrem 21-jährigen Cousin verheiratet worden war, lebt derzeit in Aschaffenburg. Auf der Flucht war das Paar nach Aschaffenburg gekommen. Das Jugendamt der Stadt hat die Ehe nicht anerkannt und das Mädchen aus Gründen des Kindeswohls in Obhut genommen. Dagegen hat der Ehemann geklagt und vom Oberlandesgericht (OLG) Bamberg Recht bekommen.

Stadtverwaltung will Klarheit

Die Stadt Aschaffenburg wünscht jetzt eine grundsätzliche Klärung, ob Eheschließungen bei mindestens einem Ehepartner unter 16 Jahren in Deutschland anerkannt werden sollen. Deshalb hat die Stadt am 14. Juni über einen Rechtsanwalt Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt. Auch das OLG Bamberg sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.

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© Bayerischer Rundfunk 


Der Pass wird passend gemacht

26.1.2016

Abschiebung Wenn die deutschen Behörden einen Flüchtling nicht loswerden, lassen sie eben dessen Staatsangehörigkeit ändern. Afrikanische Botschaften werden für ihre Mithilfe bezahlt. Der Pass wird passend gemacht.

 

 

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Joseph Koroma versteht bis heute nicht, warum er nach Nigeria abgeschoben wurde – einem Land, in das er nie zuvor einen Fuß gesetzt hatte. Als er 2006 nach Deutschland floh, stellte er einen Asylantrag und erzählte seine Fluchtgeschichte: Er sei in Sierra Leone verfolgt worden, von Anhängern des Poro-Geheimbundes, der in Westafrika ganze Landstriche kontrolliert. Sie töteten seinen Vater und drohten ihn ebenfalls zu ermorden, falls er dem Bund nicht beitrete.

 

Doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag ab. Unter anderem bezweifelten die Beamten, ob Koroma wirklich aus Sierra Leone komme. Er stellte einen Folgeantrag und legte neue Belege seiner Verfolgung vor, unter anderem einen aktuellen Zeitungsartikel, der seinen Fall aufgriff. Doch auch der Folgeantrag wurde abgelehnt, Koroma klagte – und verlor. Nach Ansicht des zuständigen Gerichts könne man in Sierra Leone problemlos Zeitungsartikel lancieren.

 

Nun war er ausreisepflichtig, aber ohne Pass. Also wurde sein Aufenthalt von den deutschen Behörden viele Jahre geduldet – bis seine Identität definitiv geklärt sein würde. Im Jahr 2012 änderten Angehörige der Botschaft Nigerias seinen Geburtsort in den nigerianischen Bundesstaat

Ogun – zunächst ohne Koromas Wissen. Ein Jahr später klopften Polizisten an seine Zimmertür. Er solle rasch ein paar Sachen packen, sagten die Beamten, sie würden ihn mitnehmen. Seine Maschine nach Nigeria fliege in wenigen Stunden. Koroma war fassungslos.

 

Viele Flüchtlinge haben keine Papiere, wenn sie in Deutschland ankommen. Entweder weil sie nie welche besaßen – Pässe werden in vielen Ländern Afrikas nur auf Anfrage ausgestellt. Oder weil sie ihren Ausweis vorher wegwerfen, aus Angst, schneller abgeschoben zu werden.

 

Für die Geflüchteten bedeutet das, dass sie im rechtlichen Nirgendwo existieren. „Vogelfrei“ nannte Hannah Arendt diese Heimatlosen, weil sie offiziell zu keinem Staat gehören und daher nur eingeschränkte Bürgerrechte genießen. Für die deutschen Behörden hingegen sind diese

Personen vor allem ein Problem, denn in manche Länder sind keine Abschiebungen möglich – weil dort Gefahr für Leib und Leben droht oder weil das Land keine Pässe ausstellt. Ungeklärte Staatsangehörigkeit ist das häufigste Abschiebehindernis. Deswegen hat sich die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Rückführung“, eine Art Thinktank für innovative Abschiebepraktiken, vor einigen Jahren eine Methode einfallen lassen, die Abschiebungen auch ohne gesichertes Wissen über die Herkunft der Flüchtlinge ermöglicht: Massenanhörungen durch Botschaftsangehörige

vermuteter Heimatstaaten.

 

Dubiose Verhöre

 

Die Bundespolizei und die Ausländerbehörden lassen seit Jahren Beamte aus afrikanischen Staaten einfliegen, die in den oft nur wenige Minuten dauernden Gesprächen mit den Betroffenen entscheiden, ob es sich um einen Bürger ihres Staates handelt. Wenn sie das glauben, stellen sie

einen Passersatz aus, das „Emergency Travel Certificate“. Wenn nicht, geht die Identitätssuche weiter. Die Flüchtlinge müssen sich an den Befragungen beteiligen. Asylbewerber sind in Deutschland gesetzlich verpflichtet, „an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken“.

 

Die aktuellsten Zahlen stammen aus dem Jahr 2014. Damals fanden nach Auskunft der Bundespolizei 50 Massenanhörungen mit Vertretern 18 afrikanischer Staaten statt. Insgesamt wurden 720 Flüchtlinge befragt, also im Durchschnitt mehr als zehn pro Termin. Dazu kommt eine unbekannte Zahl von Anhörungen, die die Bundesländer organisieren. Die „Erfolgsquoten“ variieren:

Bei Anhörungen durch nigerianische Delegationen wurde etwa die Hälfte der Vorgeführten zu Staatsbürgern erklärt, bei der Botschaft Benins sind es drei von vier Geflüchteten.

 

Das Verfahren ist alles andere als seriös. Von den Sammelverhören dringt nur wenig nach außen. Oft finden sie an schwer zugänglichen Orten statt, beispielsweise auf dem Münchner Flughafengelände. Weder Anwälte noch Dolmetscher dürfen die Betroffenen begleiten. Bevor die Vorgeladenen zur Delegation gelassen werden, werden sie durchsucht und ihre Sachen

beschlagnahmt. Drei bis fünf Minuten dauern die Anhörungen in der Regel, Gesprächsprotokolle gibt es nicht. Ausländische Beamte, deren einzige Qualifikation darin besteht, im Dienst ihrer Regierung zu stehen, werden ad hoc zu Staatsangehörigkeits-Experten, die jemandes Identität via

Sichtkontakt und Kurzinterview ermitteln sollen. Viele Flüchtlinge verlassen das Verhörzimmer und wissen nicht einmal, was gerade passiert ist.

 

Der Rechtsanwalt Michael Wanke-Lasom kennt solche Fälle gut. Er vertrat Koroma bis zu seiner Abschiebung und spricht von „reiner Behördenwillkür“. Aufschluss über die Staatsangehörigkeit könnten nur eine Geburtsurkunde oder vergleichbare amtliche Dokumente geben, aber „in keinem Fall ein bloßes Gespräch“.

Auch die Rechtsanwältin Vera Kohlmeyer-Kaiser vertritt diese Einschätzung: Sie spricht von „erdachten Wahrscheinlichkeiten“, die so nah wie möglich an die Wahrheit heranreichen sollen, um der Öffentlichkeit das Bild eines seriösen Verfahrens zu vermitteln.

 

Zu den Leidtragenden dieser Praxis gehört Koroma, den die Ausländerbehörde partout zum Nigerianer machen wollte. Dabei hatte zuvor die Sprachanalyse des Bundesamtes noch bestätigt, dass seine Identität als Sierra Leoner durchaus wahrscheinlich ist. Trotzdem schickte ihn die

Ausländerbehörde zu einer Sammelanhörung der diplomatischen Vertretung Nigerias, um seine Identität feststellen zu lassen. „Sie fragten mich landesspezifische Dinge über Nigeria“, erinnert er sich. „Ich sagte ihnen nur, dass ich nicht weiß, was sie von mir wollen, weil ich nicht aus Nigeria bin.“ Koroma verteidigte vehement seine sierraleonische Herkunft. Nach wenigen Minuten wurde er aus dem Raum geschickt.

 

Drei Monate später soll er noch einmal vor einer nigerianischen Delegation erscheinen. Koroma weigerte sich dort erneut, sich als Nigerianer auszugeben. Was Koroma zu diesem Zeitpunkt nicht wusste:

Seine neue Identität stand für die Behörden bereits nach der ersten Anhörung fest. In seinem Passersatzpapier steht später, dass er sich selbst als Nigerianer bezeichnet habe.

 

Auch Yusupha Jarboh aus Gambia geriet unter die Räder der deutsch-nigerianischen Abschiebekooperation: Er wurde 2013 von nigerianischen Beamten als Nigerianer eingestuft und abgeschoben, nach19 Jahren in Deutschland. Der Grund war offenbar, dass in seinem Handy,

das Polizisten vor dem Verhör beschlagnahmten, eine nigerianische Nummer gefunden wurde.

 

Mehrere deutsche Gerichte haben das Gebaren der Abschiebebehörden im Rahmen der Passersatzbeschaffung bereits bemängelt, bis zur höchsten Instanz hat sich aber noch niemand geklagt. Das Verwaltungsgericht Lüneburg urteilte im Jahr 2008, dass die Praxis „erheblichen

rechtsstaatlichen Zweifeln unterliegt“ und „nicht im Ansatz geeignet sei, eine Staatsangehörigkeit festzulegen“. Das Verwaltungsgericht Bremen kam 2010 zu dem Schluss, dass „eine Staatsangehörigkeit sich nicht anhand von Kopfform und Sprache feststellen“ ließe und stoppte die Vorladung eines Flüchtlings vor sierraleonische Vertreter.

 

Finanzielle Interessen

 

Das Lüneburger Gericht kritisierte, dass eine Delegation die Kopfform von Flüchtlingen inspiziert hatte, um ihre Herkunft zu ermitteln. Das geschah auch Koroma, dem der Delegationsleiter bei der ersten Anhörung bescheinigte, er sehe aus wie jemand aus dem nigerianischen Bundesstaat

Ogun, woraufhin er seinen Geburtsort änderte. Bundespolizisten saßen daneben und schwiegen.

 

Offiziell äußert sich die Bundespolizei nicht zu diesem Fall. Die Praxis der Botschaftsanhörungen aber verteidigt sie wortreich. Es sei keine Seltenheit, dass ausreisepflichtige Ausländer widersprüchliche Angaben zu ihrer Identität machten, um ihre Identität zu verschleiern, sagt ihr

Sprecher. Daher sei die Mithilfe mutmaßlicher und tatsächlicher Herkunftsstaaten nötig. Auch die Bundesregierung will an der Praxis festhalten. Sie erklärte schon 2011 in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion, dass die Anhörungen „oftmals die einzige Möglichkeit darstellen, die Nationalität der Ausreisepflichtigen festzustellen“.

 

Doch das Verfahren ist nicht nur fehleranfällig. Es gibt auch Interessenkonflikte. Die Botschaftsangehörigen bekommen nämlich Geld, wenn sie eine Abschiebung ermöglichen. Für Deutschland kommt das günstiger als die monatelange Duldung der Flüchtlinge.

 

Die Zusammenarbeit mit der nigerianischen Botschaft gestaltete sich lange Zeit schwierig, bis den Mitarbeitern eine Kostenerstattung für die Anhörungen versprochen wurde: 250 Euro pro Vorladung, weitere 250 Euro für eine Identifizierung inklusive Ausstellung des Reisepapiers.

 

Benins Angestellte erhalten jeweils 300 Euro. Die unterschiedliche Höhe wird offiziell damit begründet, dass es sich um Gebühren der jeweiligen Botschaft handele und Deutschland darauf keinen Einfluss habe.

 

2011 stoppte das Verwaltungsgericht Magdeburg die Abschiebung eines Flüchtlings, weil es Hinweise gebe, dass die sierraleonischen Vertreter „gegen Bezahlung tätig werden und möglicherweise Gefälligkeitsbescheinigungen ausstellen“. Auch andere Gerichte schlossen

sich solchen Zweifeln an. Aber kaum eine Abschiebung wurde deswegen gestoppt.

 

Für nigerianische Beamte werden inzwischen keine Abschiebeprämien mehr gezahlt. Die Linkspolitikerin Ulla Jelpke erklärt sich das damit, dass versucht werde, ein wenig „den Ruch des Korrupten loszuwerden.“ Zudem stieg der öffentliche Druck auf die nigerianische Botschaft: Die

Flüchtlingsorganisation The Voice organisiert seit Jahren Proteste gegen die beschleunigten Abschiebeverfahren. Im Jahr 2012 besetzte eine Gruppe sogar die nigerianische Botschaft.

 

Trotzdem gibt es noch die Abschiebekooperation. Rex Osa von The Voice sieht einen beiderseitigen Vorteil: Die deutschen Behörden seien „verzweifelt, weil sie nicht wissen, was sie mit den Flüchtlingen machen sollen“. Die nigerianische Seite erhoffe sich eine engere Partnerschaft

mit der stärksten Volkswirtschaft Europas. Die Botschaft funktioniere mittlerweile wie eine Art Schleuse zwischen der Bundesrepublik und dem afrikanischen Kontinent, durch die schwarzafrikanische Flüchtlinge im Schnellverfahren hinausbefördert werden, sagt Osa.

 

Abseits der zweifelhaften Verfahren der Identitätsfeststellung stellt sich die Frage, ob es vertretbar ist, ausgerechnet Nigeria zu einem der wichtigsten Abschiebungsziele Afrikas zu machen. Im Jahr 2012 wurde eine Absichtserklärung zwischen Deutschland und Nigeria unterzeichnet, welche

den Ablauf der Anhörungen festlegt und den gemeinsamen Willen zur Zusammenarbeit bekräftigt. Auch Frontex lobt die enge Kooperation mit Nigeria, es gibt ein Arbeitsvertrag gegen „illegale Migration“.

 

Dabei ist die Lage in dem afrikanischen Land instabil. Seit Ende 2010 verübt die islamistische Miliz Boko Haram regelmäßig Anschläge auf die Bevölkerung. Auch den staatlichen Sicherheitskräften werden schwere Menschenrechtsverletzungen wie Tötungen, brutale Misshandlungen und

Folter vorgeworfen. Die Botschaft der Republik Nigeria möchte auch auf wiederholte Anfrage keine Stellung beziehen.

 

Koroma hat Nigeria mittlerweile verlassen und ist zurück nach Sierra Leone gegangen. Als er 2013 in ein fremdes Land abgeschoben wurde, ohne Geld, wollte er schnellstmöglich weg. Freunde, ebenfalls Flüchtlinge, sammelten von Deutschland aus Spenden, damit er sich ein Flugticket in

sein Heimatland besorgen konnte. Am Telefon berichtet Koroma heute von seiner schwierigen Lage. Er lebe unter ständiger Angst. Sein Rechtsanwalt hat alles versucht, ihn nach Deutschland zurückzuholen – ohne Erfolg. Die Akte ist geschlossen.

 

Daniel Mützel ist freier Journalist und hat für diese Geschichte monatelang recherchiert

 

 

Dieser Beitrag erschien in Ausgabe 03/16.